Tag 1 – Ruinas und Stadt
Palenque ist wieder so ein Ort, bei dem ich mich frage, warum diese Busse eigentlich immer durch so gräusliche Hinterstraßen fahren, wenn sie ankommen? Insbesondere, wenn man nach locker zehn Stunden Fahrt gerädert aus dem Bus torkelt, ist man anfälliger dafür, der Stadt gleich zu Anfang Abzüge in der B-Note zu erteilen.
In der Tat kommen wir gerädert aus dem Vehikel, das uns tapfer von Mérida bis hier gegondelt hat, lediglich mit einer kleinen Pause mitten in der Nacht an einer Haltestelle mit gruseligen Toiletten, dafür aber mit interessantem Warnschild, was man bei Hurricanen und bei Feuer machen soll.
Wie dem auch sei, wir steigen aus und kurz darauf bemerken wir, daß wir die Tasche mit unseren tollen neuen Hüten vergessen haben. Doh! Ich zurück zum Bus, der schon weggeparkt. Ich den Parkwächter, der, wir gehen mal kucken. Wir am Bus, keine Hüte. Mist! Nach den Hinterstraßen gleich den nächsten Downer des Tages geerntet. Fäck! Hat uns doch glatt wer die Hüte geklaut. Je nun, ist nicht die Welt, Hüte gibts ja wieder, auch wenn es um die Einkaufstasche schade ist. Jetzt erst einmal frühstücken.
Auf der Suche nach einem Bistro oder Frühstücksresto, schwätzt uns ein einheimischer Touristenfänger namens Pedro an, ob wir nicht auf Tour X, Y oder Z wollen. Ich höre mir das kurz an und lasse mir mal einen Zettel in die Hand drücken. Schließlich bin ich noch müde und widerstandslos und vielleicht machen wir ja wirklich einfach mal was mit.
Mittlerweile haben wir die einzige bistroartige Einrichtung des Busbahnhofes gefunden und bestellen Kaffee und Pancakes. Die sehr umfangreiche und mäßig freundliche Bedienung und Köchin macht sich an die Arbeit und fabriziert uns etwas, was optisch dem Bestellten anmutet, geschmacklich dem jedoch nicht recht nachkommen mag. Der dazu gereichte Honig wurde zudem einer kleinen Kohorte Ameisen zum feuchten Grab, was ebenfalls den Appetit mindert. Auf meinen Hinweis, daß da Ameisen drinnen seien, gibt mir die Köchin-Bedienerin kurzerhand den Honig-Urtopf, der aber auch voller Ameisen ist. Wir lassen dann irgendwann ab vom Frühstück.
In der Zwischenzeit haben wir unseren Tourmann gefragt, ob er nicht auch einen Taximann hätte und er hat. Der so, klar doch. So sitzen wir im Schatten auf der Veranda des Busbahnhofes und lassen bei 30° Außentemperatur die Pancakes kalt werden, während wir aufs Taxi warten. Und wie wir da so sitzen und warten, geschiet das kleine Alltagswunder: die Busfahrer kehren von ihrer Pause zurück. Ich fix zu denen hin, ob sie noch eine Tasche mit Hüten gefunden hätten. Die so, jo. Haben wir weggeschlossen. Holen wir eben.
Ich ihnen hinterher und der eine läuft gemächlich über den großen Busparkplatz zu einem anderen Gebäude. Kurz darauf kehrt er mit Sunjas Einkaufstasche und den Hüten zurück. Ich danke ihnen überschwänglich und kehre mit unserer geliebten Habe zurück zu den Meedels. Alle sind gleich etwas beruhigter und das aufkeimende Mißtrauen löst sich umgehend in Wohlgefallen auf. Ein Glück!
Dann kommt auch unser Taximann und der fährt uns an die Straßenecke, an der sich unsere Unterkunft befinden soll. In Palenque gab es nicht so viel Auswahl und nachdem wir den Eingang, eine schwarze Eisentür, ausgemacht haben, betreten wir über eine geflieste Treppe das eher schlichte aber freundliche Domizil.
Zunächst wird alles beäugt: Wohnküche mit Tresen und Klappsofa, Duschbad, Schlafzimmer mit Doppelbett und Fernseher. WLAN geht auch, yeah! Dann räumen wir ein, was einzuräumen ist und ruhen uns etwas aus.
Doch bald schon treibt es Sunja und mich wieder vor die Tür, während Lucy noch Atem zum Ausruhen hat. Sie bleibt also da und wir erkunden Palenque, das Pueblo Mágico in Chiapas. Unser aktuelles Heim ist nicht weit vom Parque Central und dem aktuell dort stattfindenden Markt entfernt. Wir brauchen, wie so oft, erst einmal Bares, also auf zur Automatensuche. Das gestaltet sich etwas schwieriger, denn zum Einen mißverstehe ich öfter, was man uns sagt und wenn wir doch mal hinfinden, ist der Automat gern mal kaputt.
Doch schon der dritte Automat funktioniert und endlich sind wir wieder bereit, hübsche Andenken zu kaufen und uns sonstwie zu verlustieren. Das tun wir auch gleich an den nächsten Ecken und ich erstehe zwei hübsche Perlenvögelchen, die ich daheim zu verschenken gedenke.
Der weitere Plan für Palenque sieht so aus: heute zu den Ruinas, morgen zu den Wasserfällen von Agua Azul. Jetzt rausbekommen, wie das vonstatten gehen kann. Mein Wunsch wäre ja, einfach ein Colectivo zu nehmen, also sowas wie ein Gelegenheitsbus, der losfährt, wenn genügend Leute drinnen sitzen und dann vor Ort alles ansehen, was dort rumliegt. Und die Person, die uns erklärt, wie man zu den Colectivos kommt, sitzt in einer kleinen Kiste mit der Aufschrift Información turística. Zum Glück ist er gerade dort und sagt uns, wo alles ist, sodaß wir bald darauf zurück nach Haus gehen, um Lucy vom WLAN zu trennen.
Nun, gerüstet mit Wasser und Kind, geht es gleich wieder hinaus in die sengende Hitze, die Straße hinunter zum Parque Central, dort über die Plaza, noch ein paar Straßen weiter und dann um die Ecke. Natürlich habe ich bis dahin noch dreimal nach dem Weg gefragt, aber das macht ja auch Reisen aus.
Bei den Colectivos finden wir auch bald jemanden zum Ansprechen, der uns in den Bus setzt und uns noch etwas dort warten läßt. Dann geht es irgendwann los und wir fahren aus der Stadt heraus und auf einer Landstraße in den Dschungel hinein. Nach geschätzt 20 Minuten hält der Wagen dann bei den Ruinas und wir steigen aus.
Wie immer tummeln sich am Eingang allerhand Guides, die dort natürlich Guías heißen und die einem vieles zeigen wollen. Leider sind wir schlimme Ignoranten und wollen nichts. Wir gehen zu den zwei Kassen und lösen unsere Tickets für die INAH und für die Stätte. Inklusive im Preis wäre auch das Museum, doch dazu wird kaum Zeit sein. Alle Ruinas schließen in der Regel gegen fünf Uhr und jetzt ist es schon fast drei. Hinter den Kassen müssen wir noch etwas die Straße entlang laufen, wo wir wieder allerhand freundlichen Guías in die Arme laufen. Doch auch die weisen wir freundlich ab und betreten nun den Fußpfad in den Dschungel, zur Ausgrabungsstätte.
Sogleich befinden wir uns im Urwald, der natürlich auch kein wirklicher „Ur“-Wald mehr ist, denn schon die Maya hatten ihrerzeit massig Vegetation niedergemacht, um Städte darauf zu bauen. Man nimmt an, daß das auch letztlich nicht gut für sie war und ihre Zivilisation wohl daran zugrunde gegangen sei. Doch die Natur kam zurück und nun stehen wir mittendrin und freuen uns über Bäume und Flüßchen. Machen gleich Bilder vor einem solche, wobei uns blöderweise eine unserer Plastikflaschen vom Steg fällt. Wir so, oh nein! Lucy so, Papa, hol! Ich so, hä? Naja, und dann klettere ich verbotenerweise abseits vom ausgewiesenen Weg runter an den Bach und hole die doofe Flasche wieder. Hat ja Recht, das Kind und in echt habe ich mich auch gar nicht gesträubt.
Dann geht es weiter. Jetzt folgen die ersten Gemäuer sowie Bäume mit breiten, brettartigen Ansätzen, die sich in einen Stamm vereinen. Dann Treppen und die nicht zu knapp und ziemlich hoch. Bei dieser Hitze und Luftfeuchtigkeit nicht ausschließlich eine Freude. Dann treten wir von der Treppe ins Freie und sind auf einem Plateau mit lauter großen Gebäuden. Wow! Sogar den Rasen haben die Maya noch kürzlich gemäht!
Hier steht eine große Anlage mit allerlei Gebäuden und dem unentbehrlichen Ballspielplatz, wie könnte es auch anders sein?! Und obwohl dies schon groß anmutet, heißt es, daß in Palenque gerade einmal 10% aller Ruinen ausgegraben sind. Und ausgegraben heißt in diesem Falle sogar, daß sie so restauriert sind, daß man sie besteigen kann und darf. Endlich! Also schnell rauf auf den nächstbesten Tempel und der ist ganz schön steil und hoch. Oben angekommen, stelle ich mich auf die Stufen des obigen Altars und versuche ein Panorama von dort zu knipsen.
Lucy ist schon oben und auch Sunja kämpft sich tapfer gegen ihre Höhenangst hinauf. Das finde ich immer wieder bewundernswert, zumal es echt steil und echt hoch ist und es arg holperig wäre, hier runterzupurzeln. Als dann alle oben sind, trinken wir etwas Wasser und knabbern irgendwas, kucken rum und ich freue mich über dieses Erlebnis.
Irgendwann ist aber genug gekuckt und wir klettern wieder runter. Während es Lucy und mich eher in den Oberschenkeln anstrengt, krabbelt Sunja Füße zuerst die Treppe runter. Und auch das ist irgendwann geschafft, sodaß wir den Rest der Plaza erkunden gehen.
Also: Ballspiel, dann Erhöhung mit Zentralgebilde, an dem gerade „neue“ Relieffs freigelegt werden, schräg dahinter dann zwei weitere hohe Gebäude, von denen eins sogar zu betreten ist. Es erweist sich als die Grabkammer Pakals des I., in der es angenehm kühl ist und es unerwartet viel Kopffreiheit gibt. Prima restauriert alles. Einer nach dem anderen geht rein, kuckt und kommt wieder raus. Es ist also wirklich sehr touristenarm hier. Herrlich!
Doch kaum, daß man an sie denkt, kommen sie aus dem Wald gekrochen. Eine kleine Reisegruppe betritt beschaulich den Platz von der anderen Seite und bekommt Erklärungen zu den Gebäuden. Für uns ist es aber inzwischen genug, da es einerseits schon spät, andererseits auch echt heiß und wir ohne Wasser sind. Daher beenden wir hier den Besuch der Ruinas von Palenque und ich bin ganz beseelt.
Wir verlassen das Plateau wieder in den Wald hinein und gehen über gepflasterte Fußwege hinab zum Busplatz, auf dem sich auch wieder allerhand Verkaufsstände tummeln. Dort gibt es für uns erst einmal was zu trinken und während die Meedchen hübsche Dinge für sich ankucken, kaufe ich meiner Schwester ein hübsches Huipil, ein nach Mayaart besticktes Oberteil. Hoffentlich paßt es ihr bloß, denke ich. Falls nicht, bekommt sie halt was anderes.
Dann suchen wir uns den Colectivo zurück in die Stadt. Wir finden einen, zahlen unsere 20 Pesos pro Nase und gondeln zurück. Wir steigen an der Endstation aus, damit wir noch etwas durch die Stadt wandern können. Die ist nach wie vor bunt und laut und überall gibt es Hunde, die bei der Hitze nur träge in der Gegend rumliegen können. Katzen dagegen gibt es sehr selten.
Wir kucken uns durch allerhand Läden und eine Art Bäckerei, wo wir uns nach typischem Backwerk erkundigen sowie nach einem Restaurant, in dem mal einheimisch essen kann. Die Bäckerin oder Bäckereifachverkäuferin, wir wissen es nicht genau, berät uns gern und weist uns den Weg zu einem Restaurant, in dem man schön sitzen, essen und rauskucken kann. Lucy bekommt ein sehr großes Glas Erfrischendes und Sunja und ich teilen uns eine Karaffe Bier, das jetzt auch sehr erfrischend ist. Dann kommt das Essen und wir schnabbeln alles auf, bis auf das von Sunja bestellte, das in der Küche wohl vergessen wurde. Das wird aber berichtigt und dann kann auch sie von ihrem Eigenbestellten nehmen.
Als wir alle satt und kugelig sind, geht es wieder in Richtung Heimat. Auf dem Weg dahin versuchen wir noch Haargummis und eine Wäscheleine zu bekommen, was wir auch schaffen. Haargummis gibt es wie Sand am Meer, wogegen erst der dritte Laden mein Ansinnen versteht und mir eine gekordelte Wäscheleine verkauft, die man anscheinend sogar ohne Wäscheklammern benutzt, indem man einfach Wäschezipfel in die Kordel klemmt. Gewitzt!
So erreichen wir im Dunkeln endlich unsere Bleibe und ruhen uns bei etwas Wäschewaschen und Filmglotzen aus. Doch irgendwann müssen wir sogar den Film aufgeben, da er Lucy peinlich vor uns wird (da knutschen welche im Film, iiieh).
So endet dann also der erste, sehr erfolgreiche Tag in Palenque.
Tag 2 – Misol Ha und Agua Azul
Unser zweiter Tag in Palenque beginnt in großer Ruhe. Wir haben auf den Werbezettel des Tourtypen Pedro von gestern gekuckt und da steht ein Ausflug nach Misol-Ha (das ist Chol für Wasserfall) und zu den Wasserfällen von Agua Azul. Das hatten wir im Reiseführer gesehen und jetzt wollen wir da mal hin.
Also schreibe ich Pedro Palenque an, wie ich ihn inzwischen nenne, und frage, ob da noch Platz ist für uns drei. Es kostet 450 Pesos (~25 €) pro Nase, was für eine Tagestour sehr in Ordnung ist, wie ich finde. Pedro meldet sich dann auch und sagt, jaja, alles kein Problem. Wir so, Yeah! So setzen wir uns also vor die Tür und warten auf Pedros Bus. Der kommt nicht. Ich so, he Pedro, kommt Ihr noch? Der so, jajaja und schickt fix einen mit nem Auto, uns abzuholen. Wir überrascht, daß es doch kein Bus wird sondern ein klimatisiertes Auto, doch der Fahrer beruhigt uns, daß er uns nur zum Treffpunkt fährt. Wir so, na ein Glück.
Der Treffpunkt ist eine Tankstelle, hinter der gerade Müll verbrannt wird, was eine übliche Tagesbeschäftigung in dieser Gegend ist. Stinkt etwas. Wir kurz rein und kucken uns um, haben aber eigentlich alles, was wir brauchen. Dann kommt auch schon unser Minibus und wir dürfen dazusteigen. Sunja darf auf die regulären Sitze, Lucy kommt auf den Beifahrersitz und ich werde auf die Taschenablage in der Mitte gesetzt. Bißchen niedrig aber ok, denn so kann ich, leicht gebeugt, vorn rauskucken, sehe alles und kann mit dem Fahrer schwätzen, was ich auch tue, so gut ich kann.
Die Fahrt nach Misol-Ha dauert ca. eine halbe Stunde und geht über kleine landstraßenartige Wege durch die hügelige und waldige Gegend. Dann kommen wir an einer kleinen Absperrung vorbei, an der der Fahrer anhält und Eintritt für 11 Personen zahlen muß. Das geht alles in Bar und jeder bekommt sein Billettchen mit Bild drauf. Dann fährt er zum Parkplatz wo wir alle rausgelassen werden und 30 Minuten Zeit haben, das nötigste zu erledigen. Also los, fix den Wasserfall finden und schöne Fotos machen.
Misol-Ha wird überwiegend von Mexikanern, doch es kommen auch ein paar Europäer, wie mir der Busfahrer erklärt hat. Das merkt man auch. Alles sehr gemütlich.
Auf dem Weg zum Wasserfall stehen, wie immer, allerhand Essens- und Andenkenstände, doch die Zeit ist wirklich knapp bemessen und wir sputen uns, um nachher nicht zu spät zurückzukommen. Und da ist er schon, der Misol-Ha, ein hübscher schmaler Silberstreifen, der vom Berggesims herabfällt in einen nahezu kreisrunden Teich. Darinnen schwimmen ein paar Menschen und wir sind etwas neidisch, denn es ist schon schön warm. Stattdessen machen wir schöne und lustige Fotos vom Ort und von uns mit dem Ort.
Man kann auch auf einem schmalen Pfad einmal um den Teich, hinter den Wasserfall gehen, was Lucy und ich auch fix tun. Dort läuft das Wasser auch aus dem Gestein und macht kleine Pfützen, deren Wasser wir uns ins Gesicht spritzen, was angenehm kühl ist. Weiter hinten ist noch eine begehbare Höhle, die A. Geld kostet und B. noch mehr Zeit bräuchte, also lassen wir die Höhle Höhle sein und gehen zurück. Wir sind eh spät dran. Hier wäre eine ganze Stunde auch ok gewesen.
Also eilen wir zurück zum Bus und sind auch wirklich die letzten. Alles eingestiegen und weiter geht’s. Die nächste Etappe dauert ca. eine Stunde und Ruckelt uns bergauf und bergab serpentinig durch die Landschaft. So kommen wir höher und höher und immer weiter Richtung Agua Azul. Es geht vorbei an Dörfern und kleinen Häuseransammlungen und überall steht jemand mit einem kleinen, improvisierten Stand an der Straße und verkauft irgendwas. Manchmal wird der ein vorbeifahrender Wagen dazu ermutigt anzuhalten, indem eine Leine über die Straße gespannt wird. Unser Fahrer fährt dann einfach langsam darauf zu, bis die Person die Leine einfach fallen läßt. Dann halt nicht.
Immer wieder sieht man auch Rauchfahnen von brennendem Müll sowie jede Menge losen Plastikmülls am Straßenrand, hier, mitten im Urwald. Da denke ich mal wieder, Einwegpfand ist schon ne geile Erfindung.
Dann sehe ich am Berghang plötzlich Maisfelder und frage mich, wie die denn dahin kommen. Die wirken hier so fehl am Platze. Unser Fahrer meint, die seien oft zum Eigengebrauch dort gepflanzt, also richtige Felder, die dann wohl von Hand geerntet werden müssen. Einfach ist das Leben hier nicht. Er sagt, es müsse auch immer die ganze Familie anpacken, damit es zum Leben reiche. Oft hat der Vater einen Job und Frau und Kinder leisten dann dazu, was sie können, wie eben, am Straßenrand etwas verkaufen.
Dann passieren wir plötzlich lauter Palmen, die sich ebensowenig ins Landschaftsbild fügen wie zuvor der Mais. Das sei eine von mittlerweile mehreren Ölpalmenplantagen. Die seien auch ein Problem, meint er und das kennen wir ja zur Genüge schon von anderen Weltgegenden. Hier also auch.
Dann erreichen wir endlich Las Cascadas de Agua Azul.
Wieder werden wir rausgelassen und bekommen diesmal dankenswerterweise deutlich mehr Zeit, wodurch man hier baden kann und, natürlich, Schnickschnack kaufen. Die Temperatur ist angenehm, nicht mehr so heiß wie vorher und wir gehen auf die Stände- und Restostraße zu und in einem ist Agua Azul anders als die anderen Orte, denn hier werden wir wesentlich hartnäckiger und nerviger von Verkäufern belagert. Aber auch das endet und wir setzen uns irgendwohin und bestellen etwas zu essen.
Von unserem Tisch aus können wir das Wasser sehen und es ist in der Tat unglaublich blau. Es ist eine Art milchiges Azurblau und wirklich schön. Es ist so anziehend, daß man die ganze Zeit einfach da rein will. Aber es ist heute nicht ernstlich warm und der Boden ist voller Menschen und beim Wasser natürlich auch ein bißchen matschig. Wir finden uns dennoch ein Plätzchen und gehen abwechselnd mit Lucy ins Wasser, das, man höre und staune, bergquellenkalt ist, also etwas bei 18-20°C. Erfrischend sagt der Eine, „warm, wie in der Badewanne“ würde Opa Udo sagen. Doch der sagt das immer, auch bei -4.000°. Egal, wir kennen die Fuentes del Algar, da ist das genauso und wir sind tapfer.
Eins wird aber schon im Vorbecken klar: hier gibt es Strömung und das nicht zu knapp. Nicht umsonst wurde der erlaubte Bereich für Touristen schon vor Jahren stark begrenzt, nachdem diverse Menschen in den kräftigen, kalten Wirbeln des Gebirgsflusses ertrunken sind. Diesen Ehrgeiz haben wir nicht, ich als mäßiger Schimmer eh nicht, und deshalb plantschen wir nur ein bißchen im erlaubten Bereich rum. Und während ich schon wieder raus bin und angezogen, machen Lucy und Sunja noch lustige Fotos mit Hasi vor den Cascadas.
Doch Wetter und Touribus treiben auch sie schließlich wieder heraus. Dabei treffen wir noch kurz eine deutsche Familie (Mama, Papa, Kind), mit denen wir kurz beim Anziehen schwätzen. Nette Leute. Dann, überwiegend angezogen, suchen wir weitere Blicke auf die Wasserfälle zu erhaschen und klettern den Weg über allerhand Holztreppen bergan. Dabei kommen wir vorbei an allerlei Ständen, die die Treppen säumen, unter anderem an solchen für frisches Obst wie Kakaoschoten. Die wollen wir probieren. Wir kaufen eine, die uns kurzerhand mit der Machete gespalten wird, worauf sich die Bohnen in ihrem Fruchtfleisch auftun. Das schmeckt fruchtig, bananig und man kann lange darauf rumlutschen. Wird dadurch nicht besser aber es ist lustig glitschig. Auch ein witziges Erlebnis. Die Bohnen danach zu zerbeißen, ist im wesentlichen dann nur herb.
Weiter oben gibt es mehrere Platformen, von denen aus man die verschiedenen Stufen des Wasserfalls sehen kann. Wie glücklich ich bin, diesen Ort durch Zufall in einem der Mexikoführer aus der Bücherhalle gefunden zu haben! Wie vieles im Leben doch von Zufällen abhängt. Aber ohne Planungswillen hätte ich auch nie diesen Führer ausgeliehen. Man muß dem Glück einfach manchmal auf die Sprünge helfen. Oben angelangt, sehen wir auf die ganze Pracht dieses Ortes hinab und freuen uns über all seine Schönheit.
Dann aber treibt uns der Termindruck wieder in Richtung Ausgang. Wie schade, aber ohne Landeskenntnis wollten wir hier lieber nicht selbst fahren. Denn so aufgeschlossen wir sind, bleibt doch irgendetwas der ganzen Schauergeschichten hängen, die man vor so einer Reise erzählt bekommt. Da wird man dann doch etwas vorsichtig. Naja, später vielleicht.
So besorgen wir uns auf dem Rückweg noch eine Kakaoschote und machen uns wieder auf den Weg zu unserem Bus. Der Wartet treu auf dem Parkplatz und nach und nach finden sich alle Besucher wieder ein. Wieder steigen alle ein, Lucy und ich wieder vorn beim Fahrer, ich wieder auf der Taschenablage, leicht gebeugt.
Dann geht es zurück über Berg und Tal, vorbei an Maisfeldern, Palmölplantagen, durch den Urwald und vorbei an Hunden und Zopiloten, die sich am Straßenrand um irgendwas balgen. Schönstes Detail unter vielen: mitten auf einer Kreuzung liegt ein Hund, der dort anscheinend einfach pennt. Verschiedene Autos kommen angefahren, umkurven aber alle sorgsam den schlafenden Wauwi <3.
Schließlich erreichen wir wieder Palenque, inzwischen völlig im Dunkeln, und nach und nach werden alle Gäste in ihren Hotels abgeladen. Ich frage mich die ganze Zeit, ob man Trinkgeld gibt und wieviel, doch selbst die Mexikanerinnen, die in dieser Gruppe sind, lassen nichts springen. Irgendwie ist es mir peinlich, nichts zu geben, doch aus Mangel an Ahnung lasse ich es letztlich auch. Wurmt mich noch heute, denn was sind mir 100 Pesos und was wären sie ihm gewesen?
Je nun, er läßt uns bei unserer Bleibe raus, nachdem wir sie mit Umwegen gefunden haben, und wartet geduldig, bis wir im Haus verschwinden. Wir klettern die heiße Treppe hinauf und bereiten uns auf die verdiente Bettruhe vor, denn morgen erwartet uns unsere bislang längste Fahrt, von Palenque über Villahermosa nach Oaxaca. 17 Stunden sollen es werden. ¡Ay ay ay!
Abfahrtstag
Der neue Tag beginnt und wir packen mal wieder alles ein. Da noch etwas Zeit ist, gehen Sunja und ich noch einmal auf die Plaza, wo sie gestern noch eine Kette entdeckt hatte, bei deren Erstehung ich nun verbale Hilfe leisten soll. Wir also hin und es wird eine hübsche Kette beschaut, die dann noch von der Marketenderin selbst modifiziert wird (sie ist offensichtlich Kunstschmiedin) und dann von Sunja erworben. Alle sind zufrieden und dann möchte ich noch in einem Café einen Espresso o.ä. trinken. Doch auch hier zeigt sich, daß Kaffee vielleicht hier angebaut wird, er jedoch gesellschaftlich hier im Osten wenig Halt gefunden hat. Schmeckt so ok. Später in Oaxaca oder Mexico City sieht das schon ganz anders aus.
Dann lasse ich mich noch von ein paar Statuetten fotowirksam bedrohen, bevor wir zurück zum Kinde und mit ihr dann im Taxi (das erstaunlich lang braucht) zum Busbahnhof fahren. Dort folgt dann das übliche mit Rumsitzen, warten, Ticket vorzeigen, einsteigen und schlafen, und so weiter. Auf zur nächsten Etappe.