Die Sonnenfinsternis

In meinem Leben habe ich sicher viel Grütze veranstaltet, aber mit meinem Kind zur totalen Sonnenfinsternis nach Mexiko zu fahrne, war, so finde ich, eine sehr richtige und schöne Sache. Die Unterkunft war bereits vor Wochen gebucht, die Hinfahrt organisiert (16 Stunden Bus von Mexiko City aus), T-Shirts bestellt und bekommen und sogar der Ort war gefunden, an dem wir uns aufbauen würden. Nun also geht es los. Der Tag ist wirklich und endlich gekommen.

Wenn man fast zwei Jahre auf ein Ereignis wartet und es vorbereitet, wirkt es ausgesprochen unwirklich, wenn dieses Ereignis endlich vor der Tür steht und reingelassen werden will. Aber alles läuft. Kamera und Stativ sind im Rucksack, Wasser und ein bißchen Proviant sind da und jetzt stehen wir vor der Tür und warten auf den UBER. Die sind in Mazatlán eher schwer zu bekommen und man wartet gern mal eine ganze Weile. Erschwerend kommt hinzu, daß wir recht weit außerhalb hausen. Doch egal. Der Mensch kommt und sammelt uns ein und fährt uns dann ca. eine halbe Stunde bis in die Stadt.

Die ist über und über voll mit Menschen und vor den interessanten Stellen abgesperrt. Wir fahren bis einen Kilometer vor Zielort (Parque Ciudades Hermanas) und gehen dann den Rest. Dort angekommen, erwartet uns eine ordentliche Menschenmenge, die sich auf den Platz und die nahegelegene Strandpromenade ausdehnt. Man hat geschätzt, daß ca. 2 Millionen Menschen für die Sonnenfinsternis anreisen würden. Ganze Menge!

Wir dagegen haben es gemütlich, denn wir stehen bei der Astronomischen Gesellschaft von Mazatlán mitten auf dem Platz, in einem Bereich, der später sogar noch mit Sperrband abgezäunt wird, hihihi. Um uns herum stehen lauter Teleskope und verzückte Menschen wie wir. Es herrscht aufgeregt glückliche Stimmung und weiter unten steht eine große Bühne, auf der ein Orchester Science Fiction-Musik spielt. Natürlich ist Star Wars dabei und E.T. und noch so anderes. Es werden Reden gehalten und Funk und Fernsehen sind ebenfalls zugegen. An anderer Stelle im Orte ist die NASA aufgelaufen und hält alles mit schwerem Gerät fest.

Dagegen ist unsere Spiegelreflexkamera natürlich nur Kleinvieh, aber das sieht hier keiner so. Ein Kollege vom Planetarium bei Mexiko City bastelt mir aus echter Nettigkeit einfach einen Sonnenfilter für die Kamera, da ich keinen habe. Ich bin sehr glücklich darüber und probiere ihn sofort aus. So kann ich auch Bilder von der teilverdeckten Sonne machen und alle damit erfreuen. Wir kucken alles und alle an und freuen uns einen Keks, hierzusein.

Und dann beginnt DER TEIL. Um 9.51 beginnt der Mond, sich vor die Sonne zu schieben. Zuerst merkt man es nicht, es sei denn man hat, wie wir und alle anderen hier, eine Schutzbrille, mit der man direkt ins Sonnenlicht sehen kann. Dann sieht man, daß dort am Rand eine winzige Ecke rausgebissen ist. Alle sind fein aufgeregt.

Nach und nach vergrößert sich dieser Haps und wir gehen von Teleskop zu teleskop und schauen es uns dort an. Viele sind natürlich innerhalb Mexikos angereist, doch es gibt auch Wahnsinnige wie uns, die aus Europa gekommen sind. So zum Beispiel Romain, der mit seinem Equipment tolle Nahaufnahmen der Sonne macht, auf denen man perfekt die Sonnenflecken und Protuberanzen (Sonneneruptionen von mehrfacher Größe der Erde) sehen kann. Auch ein paar Italiener sind hier. Durch die Luft fliegen allerhand Dronen, die Luftaufnahmen machen und später einmal rundumfilmen, wenn es aus jeder Himmelsrichtung dämmert. Es ist alles ganz wunderbar. Später werden sogar wir in LeMonde auftauchen.

People take selfies as they watch and photograph a total solar eclipse in Mazatlan, Mexico, Monday, April 8, 2024. (AP Photo/Fernando Llano)

Nach ca. einer Stunde beginnt endlich der Showdown. Die Sonne ist nur noch eine schmale Sichel und es sind nur noch wenige Minuten bis zur totalen Verfinsterung. Mittlerweile ist es nicht mehr so heiß und hell, daß ich Hut und Sonnenbrille abnehmen kann. Dann beginnt das Licht immer fahler zu werden, die Temperatur immer kühler und dann ist sie plötzlich da, die totale Finsternis.

„Tenemos Totalidad!“, ruft begeistern der Mann am Mikro und wir alle rasten total aus vor Freude. Alles wird dunkel und alle und jeder starren gebannt nach oben, um zu erfassen, was da über uns kommt.

Zuerst sehen wir den Diamantring und die Bayley’s Beads, die sich zeigen, wenn das Licht der Sonne noch durch die Ritzen der Krater und Berge des Mondes zu uns vordringt. Dann steht der Mond direkt vor der Sonne und die Corona, die Sonnenatmosphäre, zeigt sich, die man sonst nie direkt sehen kann. Es ist ein magischer Augenblick.

Ich veruche wie ein Irrer, Bilder zu machen und dennoch diesen einzigartigen Moment zu erleben. Um mich herum ooht und aaht es fortwährend und ich kann auch kaum an mich halten, nicht dauernd völlig verzückt Wow und ähnliches zu rufen. Alle haben die Filterbrillen abgenommen und sind beseelt von diesem ewigen Wimpernschlag.

Doch binnen Sekunden sind diese unedlichen 4 Minuten 20 vorüber und der Mikrophonmann ruft auf spanisch „nur noch 15 Sekunden“ und man solle jetzt wieder die Filter anziehen. Ich mache wie manisch noch 1.000 Bilder und setze dann die Brille wieder auf, denn dann grellt die Sonne schon wieder hinter dem Mond hervor.

Plötzlich ist einfach alles wie zuvor, die Helligkeit kehrt zurück und die Wärme ist wieder da. Das Spektakel ist vorüber aber nichts ist mehr gleich. Alle sind glücklich, beseelt vom Erlebnis dieses Naturphänomens. Auch ich. Ich bin zutiefst dankbar und glücklich, daß ich diese wirklich besonderen Augenblicke mit meinem Kind erleben durfte. Etwas wehmütig bin ich nach wie vor, daß mein Großer nicht dabei ist, doch ich hoffe, er wird dieses Schauspiel später auch für sich erleben können.

Hier in Mazatlán geht jetzt die Veranstaltung zu Ende. Das Orchester spielt noch etwas, nebenan interviewt das Fernsehen im Fernsehgarten noch jemanden und im Großen und Ganzen verläuft sich nun langsam die Menschenmenge.

Wir nutzen die Lage des Platzes dazu, fix noch einmal an den Strand zu gehen und ins Wasser zu hüpfen. Schließlich ist Mazatlán ja Touristenstadt und für die Strände bekannt. Der, den wir erwischen ist nah, aber leider etwas steinig im Wasser. Obendrein ist der Pazifik zu dieser Jahreszeit frecherweise überhaupt nicht so warm wie in der Badewanne. Dennoch versuchen wir kurz unser Glück, planschen ein wenig und sammeln ein paar obligatorische Muscheln. Dann greifen wir uns mit viel Mühe ein Taxi und fahren, uns in unserer Unterkunft ausruhen.

Den Rest des Aufenthaltes verbringen wir damit, gemütlich durch die kleine Altstadt zu tingeln und dort in ein empfohlenes, anscheinend ausschließlich von Touristen frequentiertes, Restaurant zu gehen. Dann machen wir uns auf die Rückfahrt nach Mexiko City (19 Stunden Bus), wo wir noch einmal das phänomenale Anthropologische Museum besuchen, bevor es uns zum Flughafen nach Hause treibt.

Die Reise geht zu Ende und wird doch für immer in uns bleiben. Cancún am Kinderstrand, Tulum in den Cenotes, Chichén Itza und Kukulkán, der herabsteigt, Mérida mit Uxmal, dem Mayamuseum und dem Strand Progreso, Palenque mit seinen Ruinas, den kleinen Straßen, den Wasserfällen von Agua Azul und Misol-Ha, Oaxaca mit seinen bunten Wänden, dem Tule-Baum und Monte Albán, Mexiko City mit seiner überraschenden Grünheit, Frida Kahlo und Xochimilco samt Mariachis, die endlosen Busfahrten und die Freundlichkeit der Mexikaner… All dies und viele Dinge mehr haben wir erlebt und tragen sie von nun an in unseren Herzen mit uns.

Danke Mexiko!

Monte Albán

Der Tag beginnt super: wie immer ist gutes Wetter und wir drei gehen zusammen laufen. Ja, echt. Runter auf die Calle José López Alavez, die direkt in die Stadt führt. Müssen auch früh raus, denn sonst wird es fix zu heiß. Außerdem muß ich so gegen 9 das Auto zurückbringen. Also laufen wir und sind voll lässig. Lucy muß außerdem für nach dem Urlaub für das Marathon-Zehntel trainieren, wo sie 4 km am Stück und möglichst schnell laufen will.

Auf der Straße sind noch wenig Touristen. Immerhin zwei weitere Läufer. Lucy wird es aber langsam schwer, doch Kleinbei geben is nich. Etwa beim Zócalo gehen wir schon mal zurück, während Sunja noch ihr Pensum klarmacht.

Lucy dagegen bekommt Kopfschmerzen und ist arg durstig. Aber wir müssen erst zurück, bevor es Wasser geben kann. Schiet. Dann holt uns Sunja ein und ich laufe vor, da ich ja das Auto wegbringen muß. Kaum unter der Dusche, kommen sie auch schon nach und Kind ist flau im Magen und während sich die Mädels hinlegen, fahre ich mal los.

Wie erwähnt, ist Autofahren hier entspannt, denn es wird pragmatisch gefahren und jeder nimmt Rücksicht auf die Situation. Dann parke ich den Wagen im Innenhof der Verleiherei, mache spießig Fotos von allen Seiten, gebe das Auto unbeanstandet ab und mache mich wieder auf die Socken.

Zuerst gehe ich in die öffentliche Bibliothek, an der ich gestern vorbeigerannt bin. Da wollte ich gern rein und siehe da, wie erwartet, ist sie ein schöner und freundlicher Ort. Bücher haben sowas aufnehmendes. Es ist ein altes Stadthaus mit zweiter Etage und offenem Innenhof, in den die Sonne scheint. Nach allen Seiten gehen Räume ab und ich setze mich in die Kinderbibliothek und greife mir ein Upcyclingbuch. Lustige Ideen drin.

Dann gehe ich weiter und komme an einer von mir noch unbetretenen Kirche vorbei, die ich natürlich sofort besuche. Wow, die ist irre! So viel Deko macht schon was her. Dann ein riesiger Altar mit Mini-Jesus und daneben ein weiterer Altar mit San Martín de Porres, der dort als Schwarzer dargestellt ist. Voll spannend, denn das findet man in Europa halt nicht. Hier gehört der in den Kanon.

Beim Rauskommen werde ich von einem Einheimischen gefragt, ob ich a movie star, ob ich Richard Gere wäre. Icke so, nee, tut mir Leid. Bin ganz harmlos (habe ich so ne dicke Nase??. Dann erzählt er mir noch, er wäre da gegenüber geboren, das sei das Haus seiner Großmutter gewesen. Aha, fein, fein. Aber ich muß dann mal weiter. Vielen Dank und schönen Tag allerseits.

Nun nach Haus zu den Meedels. Die liegen jetzt entspannt rum, wobei Lucy gar nicht so entspannt ist sondern eher etwas elend. Armes Wesen. War offensichtlich etwas dolle vorhin. Es wird noch etwas weiter ausgeruht, bevor wir uns dann aufmachen nach Monte Albán, wieder einmal Weltkulturerbe und verewigt auf dem blauen 20-Pesos-Schein. Schnell schleppe ich die beiden im Vorbeigehen in die neuentdeckte Kirche, was wohlmeinend bis gleichgültig hingenommen wird.

Dann geht es weiter zur Ticketverkaufsstelle für die Busse nach Monte Albán. Die finden wir, doch die Abfahrt ist dann noch zwei, drei Blocks weiter, wo wir in einer ziemlich schrammeligen Bude, immerhin im Schatten, auf den Bus warten. Der ist allerdings abenteuerlich und ungefedert, was hier, mit zig Bodenwellen zur Verkehrsberuhigung, ziemlich durchschlägt.

Egal, wir fahren los, Kind hängt in den Seilen und liegt über zwei Sitze verteilt. Flößen ihr immer mal etwas Wasser ein. Nach ca. 30 Minuten Schlag- und Ruckelfahrt kommen wir oben auf dem Berg an und steigen dankbar aus. Lucy ist immer noch flau und wir geben ihr Kopf- und Übeltabletten in der Hoffnung, ihr damit zu helfen. Dann geht’s rein.

Es ist heiß und sehr sonnig und das Areal bietet nur sehr wenig Schatten, zumal diese Region bekannter für Agaven und Kakteen ist als für üppig grüne Bäume. Dank unserer Hüte spenden wir uns selbst etwas Schatten und beginnen den langen Rundgang.

Auf Luftbildern oder vom Hügel aus sehen diese Flächen immer so überschaubar aus, doch wenn man auf einmal selbst eine der Ameisen auf dem Bild ist, werden die Dimensionen schlagartig ganz anders. Wir besteigen die ersten Treppen und schauen von oben auf alles hinab, stehen an der Stelle der Perspektive des 20-Pesos-Scheins. Schön windig hier oben, das tut gut. Machen Fotos, lassen Energie in uns fließen und gehen weiter zum Corte hundido, dem versunkenen Hof. Heißt so, weil er deutlich vertieft ist gegenüber dem Umland.

Plötzlich ist alles groß. Wir steigen wieder heraus, hinunter auf die Hauptebene mit lauter Tempeln mit Treppen. Der Boden ist staubig, die Sonne heiß, Lucy ist tapfer aber sehr matschig. Während Lucy und Sunja schon etwas vorgehen, lese ich fleißig alle Schilder, die ich finden kann, um den beiden zu erzählen, wo besondere Stellen sind, z.B. das Loch zur Sonnenkammer, in die bei Tag- und Nachtgleiche das Licht senkrecht einfällt und sekundenlang die Zeitenwende anzeigte. Astronomie konnten die schon sehr solide!

Dann machen sich die beiden lieber wieder auf den Weg zum Bus nach Haus, denn Lucy braucht Erholung und die ist noch fern, bei diesem Ausflug. Ich gebe ihnen noch eine Flasche Wasser mit und lasse sie ziehen.

Dann erklimme ich die 40m hohe Südtreppe und sehe mir das dortige Plateau an. Man muß sich das mal vorstellen: diese Anlage hat man damals auf dem Berg errichtet, alles glatt gemacht, Plateaus aufgeschüttet und dann all diese Gebäude gebaut. MannMannMann! Und Wasser kam aus dem 4km entfernten Fluß und vom Regen. Das war kein Ponyhof. Da hatten viele immer viel zu schleppen.

Ich klettere wieder runter und staune mich über den Rest der großen Fläche. Dann verlasse ich sie per Seitentreppe und dort finde ich das große Juego de Pelota, den Ballspielplatz. Monte Albán hatte hiervon angeblich fünf Stück. Das ist ne Macht! Hier wurde das Ballspiel noch zur Konfliktlösung genutzt, nicht zur Opfergabe an die Götter. Sicher war es auch Unterhaltung, kann ich mir vorstellen, so wie Fußball heute.

Jetzt ist es auch für mich an der Zeit, den Heimweg anzutreten, denn der Bus kommt manchmal ordentlich zu früh. An den Ständen vor dem Parkplatz kaufe ich mir noch einen Kühlschrankmagenten und Bananenchips, dann geht’s runter zum Bus. Freundlicherweise kommt der diesmal aber nur 10 Minuten früher, wodurch ich noch zwei Gebäude außerhalb der Zona Arqueologica ankucken kann. Dann heißt es sitzen und warten. Währenddessen fliegt einer Frau der Hut weg, den ich zu retten helfe, indem ich schwer verboten über den Zaun klettere. Nun endlich kommt der Bus der Verderbens und wir rattern munter, rumpelig wieder den Berg hinab, zurück in die Stadt.

Den Heimweg gehe ich diesmal durch andere Gegenden, vorbei an Anhäufungen von Barbershops, Brillen- und Sexläden. Mal ein anderer Anblick als im Touriviertel. Aber alles freundlich und harmlos. Hinter dem Zócalo finde ich wieder die lange Straße und kaufe mir dort unvorsichtigerweise ein hübsches Glas und in einem Antiquariat Pedro Páramo von Juan Rulfo, damit ich mich mal bilde.

Dann ist der Tag auch wieder zu Ende und als ich ankomme, liegt Lucy schon längst im tiefen Schlaf und erholt sich. Sunja vermutet, es hätte sie wohl ein Hitzschlag erwischt, was nach den Symptomen nicht unwahrscheinlich wirkt. Jetzt jedenfalls pflegen wir sie und das tut ihr gut.

Morgen geht es leider schon weiter. Oaxaca ist definitiv eine längere Weile Aufenthalt wert und im Grunde müßte ich auch gar nicht wieder weg. Doch Mexiko City wartet auf uns und ich habe uns aus reinem Übermut den Platin-Bus gebucht. Yeah! Für die 6 1/2 Stunden Fahrt für uns drei kostet der uns 50€ mehr und die haue ich jetzt einfach mal raus. Ich hoffe, das zahlt sich in Form von Gemütlichkeit und Komfort aus.

Oaxaca II

Ostern feiern, egal wo man ist, das ist mit Kindern einfach gesetzt. Vor ca. 1.000 Jahren waren wir mal auf Gran Canaria und da war Ostern. Lucys Hasi wußte aber genau, daß der Osterhase seinen Job schon machen würde. Und siehe da, irgendwo im Nirgendwo lagen plötzlich lustige bunte Ostersachen rum und das Kind war glücklich. Und so würde es wohl auch dieses Mal werden, auch wenn Schokoladeneier bei ca. 36°C nicht so recht in Form bleiben, was soll’s. Vater und Mutter bestachen den mexikanischen Osterhasen und er tat sein Bestes.

Wir haben uns für diesen Tag ein Auto gemietet, trotz allgemeiner Angstmache im Internetz, wie unsicher und gefährlich Mexiko doch wäre. Sowas nervt ja immens und doch kann man sich dann schwer davon freimachen, obwohl hier niemand was von uns will. Alle Welt ist superfreundlich zu uns und wir sind einfach zurück freundlich. So sollte sich doch jeder verhalten, oder nicht? Anyway, wir haben heute ein Auto von den freundlichen Menschen von Silvers Car, das Auto ist prima und alles läuft. Wir hatten mal Lust, keine Tour zu machen sondern in eigenem Tempo die Sachen abzuklappern, die wir wollen.

Das geht los mit Tlacolula, wo wir auf den Markt sollen, der nur Sonntags öffnet. Da könnten wir frühstücken und dann nach Hierve el Agua fahren. Wir also nach Tlacolula auf den Markt, der so groß wie ein eigenes Stadtviertel ist, bzw. ein Viertel wird mit Ständen vollgestellt und mittendrin ist eine große Halle, in der noch mehr verkauft und verkocht wird. Und wir haben Glück, denn gleich an der Straßenecke, wo wir ankommen, ist ein Parkplatz in der prallen Sonne frei. Wir geparkt und los.

Der Markt beginnt mit Flohmarktständen und einer Absperrkette, die ich ein paar Mitmenschen hochhalte, damit sie zu Fuß oder mit Transporträdern durch können. Bedanken sich fein und einer schwätzt mich mit „howdy“ oder so an. Icke so „howdy“ zurück und dann auf spanisch weiter. Er so, woher? Icke so, Alemania. Er so, ui! Icke so, jaja. Naja, und dann erzähle ich, daß wir halb Mexiko bereisen und er, stolzer Mexikaner, freut sich und preist, völlig zurecht, seine Heimat. Dann gehen wir weiter und betreten die große Halle.

Dort empfängt uns der Bereich, in dem tote Hühner feilgeboten werden. Vor der Tür liefen schon Leute mit zappelnden Hühnern durch die Gegend und Lucy und mir wurde ganz klamm ums Herz. Hier aber sind alle Hühner schon tot und liegen, Füße zuvorderst, auf den Tischen rum. Wir gehen mal weiter, vorbei an der Schwartenfranktion und in die Halle, wo es Brot und Gebackenes gibt. Das ist mir lieber und wir kaufen mal Brötchen, die so sind wie große Hamburger Rundstücke. Alles andere ist nämlich süßes Zeug, wovon wir gerade nichts wollen. Nächste Halle Obst und Gemüse und Fische und Gekochtes. Ich kaufe mal Mangos und bestelle uns was zu essen. Es gibt Taco mit Carnita für Sunja und Lucy und Tostada con Verduras für mich. Damit setzen wir uns dann hin und stärken uns für den kommenden Tag.

Nachdem alles gegessen ist, gehen wir mal wieder los, denn der Tag macht sonst schon ohne uns weiter. Noch schnell auf ein Baño Público, damit wir das nicht später irgendwo erledigen müssen. Und ich mache fast immer die Erfahrung, daß die hiesigen Toiletten, so gut wie immer ordentlich und gepflegt sind, was ich von Deutschland leider selten sagen kann (ich sage nur Autobahn…). Dann aber los und Google weist uns den Weg in unserem jetzt schön geheitzten Wagen (God bless the Klimaanlage).

Wir wollen natürlich die mautfreie Straße nehmen, denn wer will schon Maut zahlen. Also runter von der Landstraße und in Mitla auf eine interessante Nebenstraße, die am Point of no Return von einem freundlichen Schrankenwärter bewacht wird. Der nimmt uns natürlich keine Maut ab sondern sowas wie Zugangsgebühr (mit gedruckten Tickets) zur Straße zu den Quellen von Hierve el Agua. Freundlicher Mann, wünscht uns alles Gute und schönes Schwimmen. Dann geht es bergauf auf einer sehr schotterigen Serpentinenpiste, die sich auf locker 30-40 Minuten um den Berg schlängelt. Der Berg wird immer höher, der Abgrund neben uns dafür immer tiefer. Sunja mit Höhenangst verfällt vor Gruseln in Schlaf, Lucy und ich beten, daß nur kleine Entgegenkommer entgegenkommen. Das hilft und wir treffen nur 5 Vehikel, die unseren Weg kreuzen und denen wir durch Warten an breiter Stelle Platz lassen.

Und endlich hat das Hoch- und Runterschlängeln ein Ende und wir kommen am ersten Ziel an. Hierve el Agua ist eine Gebirgsquelle, die blubbernd, aber durchaus nicht kochend, wie der Name suggeriert, aus dem Fels quillt. Dann läuft das stark mineralisierte Wasser am Hang runter und hat über die Jahrtausende weiße Zapfen und Spuren hinterlassen. Sehr hübsch!

Doch jetzt ist erst Ostern dran. Hasi und ich gehen vor, um ein paar Sachen hinzuostern und schon beim aus der Tasche holen bemerke ich, daß einiges davon zu heißer Schokolade geworden ist. Egal. Watt mutt, datt mutt, wie wir Mexikaner sagen. Also am Weg zu den Quellen verteilen und Passanten sagen, daß das nicht für sie sei. Klappt, wenn auch einige Tränen in den Augen haben. Dann kommen Sunja und Lucy und finden in den wenigen schattigen Plätzchen kleine, bunte Ostersachen, hihihi. Alle freuen sich.

Am Ende des Weges gibt es drei Becken, in die man hüpfen kann und die mit grünlichem Wasser gefüllt sind. Mit 23°C ist das Wasser angenehm kühl bei den herrschenden, gefühlten 1.000°C Außentemperatur. Wir baden uns abwechselnd, sehen noch die Quellen weiter oben an und machen uns danach, gestärkt mit einer ordentlich gezuckerten Horchata, auf den Weg nach Mitla, um dort Zapotekenruinen anzusehen. Diesmal nehmen wir aber die Mautobahn, die keine Zufahrtskontrolle hat, was beim Abfahren aber nicht stört, denn die Maut beträgt sowieso 82 Pesos.

Dann Mitla. Die Ruinen sind mitten im Ort, was ungewöhnlich ist. Die alten Tempel hat der Spanier seinerzeit zum Bau der Kirche genutzt, um damit auch schön die Einheimischen zu dissen. Kein feiner Zug, war aber damals so üblich und das mit Denkmalschutz kam ja auch alles erst viel später.

Mitla ist dann auch eine vergleichsweise kleine Stätte und wir bekommen leider keinen Ballspielplatz zu sehen, der sonst in ganz Mesoamerika üblich war. Beim Ballspiel mußte ein schwerer, harter Kautschukball mit Knien, Ellbogen oder Hüfte durch die Gegend geschubst werden, mit dem Ziel, ihn durch hoch hängende Ringe zu lüpfen oder anderswie Siegpunkte zu machen. Anfänglich diente das Spiel zur Konfliktlösung (Gewinner bekommt Recht), später (bei den Maya) wurde der Verlierer den Göttern geopfert. Jedenfalls hatte jede Stadt, die was auf sich hielt mindestens einen Ballspielplatz. Mitla anscheinend nicht. Schade für die. Und ich muß sagen, Mitla ist im Vergleich zu Chichén Itzá oder Uxmal etwa so wie Hannover zu Barcelona. Da kann man halt auch leben. Man muß zur Verteidigung aber sagen, daß undank der Spanier einfach nicht viel stehengeblieben ist. Dafür stehen in Mitla schöne Kakteen und Bäume, wovon wir einen der letzteren umarmen, weil er so nett ist.

Dann wieder raus auf den Vorplatz, wo uns der freundliche Parkplatzeinweiser eingewiesen hat und wir jetzt mittenmang zwischen lauter Ständen parken. Ich verliebe mich in eine schwarze Stofftasche mit dem Gott Xólotl drauf. Nach hartem Kampf mit Lucy („Papa, kauf Dir nicht dauernd Scheiß, den Du nicht benutzt und wovon Du schon 1.000 Stück hast“), kaufe ich mir eine 1.001te Stofftasche, die voll schön ist und über die ich mich gleich freue. Hat sich also schon gelohnt.

Dann gurken wir weiter und fahren zum Árbol del Tule. Der ist wirklich ca. 2.000 Jahre alt, riesig, wiegt ca. 636 tonnen und steht mittlerweile eingezäunt bei der kleinen Kirche des Dorfes. Er ist eins der weltgrößten Lebewesen und den Zapoteken heilig und steht obendrein unter staatlichem Schutz. Eine Tafel vor dem Baum besagt, es habe mal ein reicher Händler aus Oaxaca versucht ihn den Zapoteken abzukaufen um aus dem Holz Möbel zu machen, die hätten aber zum Glück abgelehnt. Leider dürfen wir ihn nicht umarmen (dazu bräuchte man auch 55 Menschen), also werfen wir stattdessen Münzen in den gegenüberliegenden Wunschbrunnen und freuen uns, hierzusein.

Und dann ist auch mal Schluß für heute. Wir kaufen noch fix was ein und stecken es in meine total supere neue Stofftasche und dann leitet uns Frau Google nach Haus.

Autofahren in diesem Teil Mexikos ist übrigens sehr angenehm, denn man nimmt viel Rücksicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer (ob es hier rechts-vor-links gibt, habe ich bislang nicht begriffen, aber das macht auch nichts).

Und so endet dieser Spannende Tag. Wir betreiten uns seelisch schon auf morgen vor, denn da geht es nach Monte Albán und das ist wieder riesig.