Die Sonnenfinsternis

In meinem Leben habe ich sicher viel Grütze veranstaltet, aber mit meinem Kind zur totalen Sonnenfinsternis nach Mexiko zu fahrne, war, so finde ich, eine sehr richtige und schöne Sache. Die Unterkunft war bereits vor Wochen gebucht, die Hinfahrt organisiert (16 Stunden Bus von Mexiko City aus), T-Shirts bestellt und bekommen und sogar der Ort war gefunden, an dem wir uns aufbauen würden. Nun also geht es los. Der Tag ist wirklich und endlich gekommen.

Wenn man fast zwei Jahre auf ein Ereignis wartet und es vorbereitet, wirkt es ausgesprochen unwirklich, wenn dieses Ereignis endlich vor der Tür steht und reingelassen werden will. Aber alles läuft. Kamera und Stativ sind im Rucksack, Wasser und ein bißchen Proviant sind da und jetzt stehen wir vor der Tür und warten auf den UBER. Die sind in Mazatlán eher schwer zu bekommen und man wartet gern mal eine ganze Weile. Erschwerend kommt hinzu, daß wir recht weit außerhalb hausen. Doch egal. Der Mensch kommt und sammelt uns ein und fährt uns dann ca. eine halbe Stunde bis in die Stadt.

Die ist über und über voll mit Menschen und vor den interessanten Stellen abgesperrt. Wir fahren bis einen Kilometer vor Zielort (Parque Ciudades Hermanas) und gehen dann den Rest. Dort angekommen, erwartet uns eine ordentliche Menschenmenge, die sich auf den Platz und die nahegelegene Strandpromenade ausdehnt. Man hat geschätzt, daß ca. 2 Millionen Menschen für die Sonnenfinsternis anreisen würden. Ganze Menge!

Wir dagegen haben es gemütlich, denn wir stehen bei der Astronomischen Gesellschaft von Mazatlán mitten auf dem Platz, in einem Bereich, der später sogar noch mit Sperrband abgezäunt wird, hihihi. Um uns herum stehen lauter Teleskope und verzückte Menschen wie wir. Es herrscht aufgeregt glückliche Stimmung und weiter unten steht eine große Bühne, auf der ein Orchester Science Fiction-Musik spielt. Natürlich ist Star Wars dabei und E.T. und noch so anderes. Es werden Reden gehalten und Funk und Fernsehen sind ebenfalls zugegen. An anderer Stelle im Orte ist die NASA aufgelaufen und hält alles mit schwerem Gerät fest.

Dagegen ist unsere Spiegelreflexkamera natürlich nur Kleinvieh, aber das sieht hier keiner so. Ein Kollege vom Planetarium bei Mexiko City bastelt mir aus echter Nettigkeit einfach einen Sonnenfilter für die Kamera, da ich keinen habe. Ich bin sehr glücklich darüber und probiere ihn sofort aus. So kann ich auch Bilder von der teilverdeckten Sonne machen und alle damit erfreuen. Wir kucken alles und alle an und freuen uns einen Keks, hierzusein.

Und dann beginnt DER TEIL. Um 9.51 beginnt der Mond, sich vor die Sonne zu schieben. Zuerst merkt man es nicht, es sei denn man hat, wie wir und alle anderen hier, eine Schutzbrille, mit der man direkt ins Sonnenlicht sehen kann. Dann sieht man, daß dort am Rand eine winzige Ecke rausgebissen ist. Alle sind fein aufgeregt.

Nach und nach vergrößert sich dieser Haps und wir gehen von Teleskop zu teleskop und schauen es uns dort an. Viele sind natürlich innerhalb Mexikos angereist, doch es gibt auch Wahnsinnige wie uns, die aus Europa gekommen sind. So zum Beispiel Romain, der mit seinem Equipment tolle Nahaufnahmen der Sonne macht, auf denen man perfekt die Sonnenflecken und Protuberanzen (Sonneneruptionen von mehrfacher Größe der Erde) sehen kann. Auch ein paar Italiener sind hier. Durch die Luft fliegen allerhand Dronen, die Luftaufnahmen machen und später einmal rundumfilmen, wenn es aus jeder Himmelsrichtung dämmert. Es ist alles ganz wunderbar. Später werden sogar wir in LeMonde auftauchen.

People take selfies as they watch and photograph a total solar eclipse in Mazatlan, Mexico, Monday, April 8, 2024. (AP Photo/Fernando Llano)

Nach ca. einer Stunde beginnt endlich der Showdown. Die Sonne ist nur noch eine schmale Sichel und es sind nur noch wenige Minuten bis zur totalen Verfinsterung. Mittlerweile ist es nicht mehr so heiß und hell, daß ich Hut und Sonnenbrille abnehmen kann. Dann beginnt das Licht immer fahler zu werden, die Temperatur immer kühler und dann ist sie plötzlich da, die totale Finsternis.

„Tenemos Totalidad!“, ruft begeistern der Mann am Mikro und wir alle rasten total aus vor Freude. Alles wird dunkel und alle und jeder starren gebannt nach oben, um zu erfassen, was da über uns kommt.

Zuerst sehen wir den Diamantring und die Bayley’s Beads, die sich zeigen, wenn das Licht der Sonne noch durch die Ritzen der Krater und Berge des Mondes zu uns vordringt. Dann steht der Mond direkt vor der Sonne und die Corona, die Sonnenatmosphäre, zeigt sich, die man sonst nie direkt sehen kann. Es ist ein magischer Augenblick.

Ich veruche wie ein Irrer, Bilder zu machen und dennoch diesen einzigartigen Moment zu erleben. Um mich herum ooht und aaht es fortwährend und ich kann auch kaum an mich halten, nicht dauernd völlig verzückt Wow und ähnliches zu rufen. Alle haben die Filterbrillen abgenommen und sind beseelt von diesem ewigen Wimpernschlag.

Doch binnen Sekunden sind diese unedlichen 4 Minuten 20 vorüber und der Mikrophonmann ruft auf spanisch „nur noch 15 Sekunden“ und man solle jetzt wieder die Filter anziehen. Ich mache wie manisch noch 1.000 Bilder und setze dann die Brille wieder auf, denn dann grellt die Sonne schon wieder hinter dem Mond hervor.

Plötzlich ist einfach alles wie zuvor, die Helligkeit kehrt zurück und die Wärme ist wieder da. Das Spektakel ist vorüber aber nichts ist mehr gleich. Alle sind glücklich, beseelt vom Erlebnis dieses Naturphänomens. Auch ich. Ich bin zutiefst dankbar und glücklich, daß ich diese wirklich besonderen Augenblicke mit meinem Kind erleben durfte. Etwas wehmütig bin ich nach wie vor, daß mein Großer nicht dabei ist, doch ich hoffe, er wird dieses Schauspiel später auch für sich erleben können.

Hier in Mazatlán geht jetzt die Veranstaltung zu Ende. Das Orchester spielt noch etwas, nebenan interviewt das Fernsehen im Fernsehgarten noch jemanden und im Großen und Ganzen verläuft sich nun langsam die Menschenmenge.

Wir nutzen die Lage des Platzes dazu, fix noch einmal an den Strand zu gehen und ins Wasser zu hüpfen. Schließlich ist Mazatlán ja Touristenstadt und für die Strände bekannt. Der, den wir erwischen ist nah, aber leider etwas steinig im Wasser. Obendrein ist der Pazifik zu dieser Jahreszeit frecherweise überhaupt nicht so warm wie in der Badewanne. Dennoch versuchen wir kurz unser Glück, planschen ein wenig und sammeln ein paar obligatorische Muscheln. Dann greifen wir uns mit viel Mühe ein Taxi und fahren, uns in unserer Unterkunft ausruhen.

Den Rest des Aufenthaltes verbringen wir damit, gemütlich durch die kleine Altstadt zu tingeln und dort in ein empfohlenes, anscheinend ausschließlich von Touristen frequentiertes, Restaurant zu gehen. Dann machen wir uns auf die Rückfahrt nach Mexiko City (19 Stunden Bus), wo wir noch einmal das phänomenale Anthropologische Museum besuchen, bevor es uns zum Flughafen nach Hause treibt.

Die Reise geht zu Ende und wird doch für immer in uns bleiben. Cancún am Kinderstrand, Tulum in den Cenotes, Chichén Itza und Kukulkán, der herabsteigt, Mérida mit Uxmal, dem Mayamuseum und dem Strand Progreso, Palenque mit seinen Ruinas, den kleinen Straßen, den Wasserfällen von Agua Azul und Misol-Ha, Oaxaca mit seinen bunten Wänden, dem Tule-Baum und Monte Albán, Mexiko City mit seiner überraschenden Grünheit, Frida Kahlo und Xochimilco samt Mariachis, die endlosen Busfahrten und die Freundlichkeit der Mexikaner… All dies und viele Dinge mehr haben wir erlebt und tragen sie von nun an in unseren Herzen mit uns.

Danke Mexiko!

Monte Albán

Der Tag beginnt super: wie immer ist gutes Wetter und wir drei gehen zusammen laufen. Ja, echt. Runter auf die Calle José López Alavez, die direkt in die Stadt führt. Müssen auch früh raus, denn sonst wird es fix zu heiß. Außerdem muß ich so gegen 9 das Auto zurückbringen. Also laufen wir und sind voll lässig. Lucy muß außerdem für nach dem Urlaub für das Marathon-Zehntel trainieren, wo sie 4 km am Stück und möglichst schnell laufen will.

Auf der Straße sind noch wenig Touristen. Immerhin zwei weitere Läufer. Lucy wird es aber langsam schwer, doch Kleinbei geben is nich. Etwa beim Zócalo gehen wir schon mal zurück, während Sunja noch ihr Pensum klarmacht.

Lucy dagegen bekommt Kopfschmerzen und ist arg durstig. Aber wir müssen erst zurück, bevor es Wasser geben kann. Schiet. Dann holt uns Sunja ein und ich laufe vor, da ich ja das Auto wegbringen muß. Kaum unter der Dusche, kommen sie auch schon nach und Kind ist flau im Magen und während sich die Mädels hinlegen, fahre ich mal los.

Wie erwähnt, ist Autofahren hier entspannt, denn es wird pragmatisch gefahren und jeder nimmt Rücksicht auf die Situation. Dann parke ich den Wagen im Innenhof der Verleiherei, mache spießig Fotos von allen Seiten, gebe das Auto unbeanstandet ab und mache mich wieder auf die Socken.

Zuerst gehe ich in die öffentliche Bibliothek, an der ich gestern vorbeigerannt bin. Da wollte ich gern rein und siehe da, wie erwartet, ist sie ein schöner und freundlicher Ort. Bücher haben sowas aufnehmendes. Es ist ein altes Stadthaus mit zweiter Etage und offenem Innenhof, in den die Sonne scheint. Nach allen Seiten gehen Räume ab und ich setze mich in die Kinderbibliothek und greife mir ein Upcyclingbuch. Lustige Ideen drin.

Dann gehe ich weiter und komme an einer von mir noch unbetretenen Kirche vorbei, die ich natürlich sofort besuche. Wow, die ist irre! So viel Deko macht schon was her. Dann ein riesiger Altar mit Mini-Jesus und daneben ein weiterer Altar mit San Martín de Porres, der dort als Schwarzer dargestellt ist. Voll spannend, denn das findet man in Europa halt nicht. Hier gehört der in den Kanon.

Beim Rauskommen werde ich von einem Einheimischen gefragt, ob ich a movie star, ob ich Richard Gere wäre. Icke so, nee, tut mir Leid. Bin ganz harmlos (habe ich so ne dicke Nase??). Dann erzählt er mir noch, er wäre da gegenüber geboren, das sei das Haus seiner Großmutter gewesen. Aha, fein, fein. Aber ich muß dann mal weiter. Vielen Dank und schönen Tag allerseits.

Nun nach Haus zu den Meedels. Die liegen jetzt entspannt rum, wobei Lucy gar nicht so entspannt ist sondern eher etwas elend. Armes Wesen. War offensichtlich etwas dolle vorhin. Es wird noch etwas weiter ausgeruht, bevor wir uns dann aufmachen nach Monte Albán, wieder einmal Weltkulturerbe und verewigt auf dem blauen 20-Pesos-Schein. Schnell schleppe ich die beiden im Vorbeigehen in die neuentdeckte Kirche, was wohlmeinend bis gleichgültig hingenommen wird.

Dann geht es weiter zur Ticketverkaufsstelle für die Busse nach Monte Albán. Die finden wir, doch die Abfahrt ist dann noch zwei, drei Blocks weiter, wo wir in einer ziemlich schrammeligen Bude, immerhin im Schatten, auf den Bus warten. Der ist allerdings abenteuerlich und ungefedert, was hier, mit zig Bodenwellen zur Verkehrsberuhigung, ziemlich durchschlägt.

Egal, wir fahren los, Kind hängt in den Seilen und liegt über zwei Sitze verteilt. Flößen ihr immer mal etwas Wasser ein. Nach ca. 30 Minuten Schlag- und Ruckelfahrt kommen wir oben auf dem Berg an und steigen dankbar aus. Lucy ist immer noch flau und wir geben ihr Kopf- und Übeltabletten in der Hoffnung, ihr damit zu helfen. Dann geht’s rein.

Es ist heiß und sehr sonnig und das Areal bietet nur sehr wenig Schatten, zumal diese Region bekannter für Agaven und Kakteen ist als für üppig grüne Bäume. Dank unserer Hüte spenden wir uns selbst etwas Schatten und beginnen den langen Rundgang.

Auf Luftbildern oder vom Hügel aus sehen diese Flächen immer so überschaubar aus, doch wenn man auf einmal selbst eine der Ameisen auf dem Bild ist, werden die Dimensionen schlagartig ganz anders. Wir besteigen die ersten Treppen und schauen von oben auf alles hinab, stehen an der Stelle der Perspektive des 20-Pesos-Scheins. Schön windig hier oben, das tut gut. Machen Fotos, lassen Energie in uns fließen und gehen weiter zum Corte hundido, dem versunkenen Hof. Heißt so, weil er deutlich vertieft ist gegenüber dem Umland.

Plötzlich ist alles groß. Wir steigen wieder heraus, hinunter auf die Hauptebene mit lauter Tempeln mit Treppen. Der Boden ist staubig, die Sonne heiß, Lucy ist tapfer aber sehr matschig. Während Lucy und Sunja schon etwas vorgehen, lese ich fleißig alle Schilder, die ich finden kann, um den beiden zu erzählen, wo besondere Stellen sind, z.B. das Loch zur Sonnenkammer, in die bei Tag- und Nachtgleiche das Licht senkrecht einfällt und sekundenlang die Zeitenwende anzeigte. Astronomie konnten die schon sehr solide!

Dann machen sich die beiden lieber wieder auf den Weg zum Bus nach Haus, denn Lucy braucht Erholung und die ist noch fern, bei diesem Ausflug. Ich gebe ihnen noch eine Flasche Wasser mit und lasse sie ziehen.

Dann erklimme ich die 40m hohe Südtreppe und sehe mir das dortige Plateau an. Man muß sich das mal vorstellen: diese Anlage hat man damals auf dem Berg errichtet, alles glatt gemacht, Plateaus aufgeschüttet und dann all diese Gebäude gebaut. MannMannMann! Und Wasser kam aus dem 4km entfernten Fluß und vom Regen. Das war kein Ponyhof. Da hatten viele immer viel zu schleppen.

Ich klettere wieder runter und staune mich über den Rest der großen Fläche. Dann verlasse ich sie per Seitentreppe und dort finde ich das große Juego de Pelota, den Ballspielplatz. Monte Albán hatte hiervon angeblich fünf Stück. Das ist ne Macht! Hier wurde das Ballspiel noch zur Konfliktlösung genutzt, nicht zur Opfergabe an die Götter. Sicher war es auch Unterhaltung, kann ich mir vorstellen, so wie Fußball heute.

Jetzt ist es auch für mich an der Zeit, den Heimweg anzutreten, denn der Bus kommt manchmal ordentlich zu früh. An den Ständen vor dem Parkplatz kaufe ich mir noch einen Kühlschrankmagenten und Bananenchips, dann geht’s runter zum Bus. Freundlicherweise kommt der diesmal aber nur 10 Minuten früher, wodurch ich noch zwei Gebäude außerhalb der Zona Arqueologica ankucken kann. Dann heißt es sitzen und warten. Währenddessen fliegt einer Frau der Hut weg, den ich zu retten helfe, indem ich schwer verboten über den Zaun klettere. Nun endlich kommt der Bus der Verderbens und wir rattern munter, rumpelig wieder den Berg hinab, zurück in die Stadt.

Den Heimweg gehe ich diesmal durch andere Gegenden, vorbei an Anhäufungen von Barbershops, Brillen- und Sexläden. Mal ein anderer Anblick als im Touriviertel. Aber alles freundlich und harmlos. Hinter dem Zócalo finde ich wieder die lange Straße und kaufe mir dort unvorsichtigerweise ein hübsches Glas und in einem Antiquariat Pedro Páramo von Juan Rulfo, damit ich mich mal bilde.

Dann ist der Tag auch wieder zu Ende und als ich ankomme, liegt Lucy schon längst im tiefen Schlaf und erholt sich. Sunja vermutet, es hätte sie wohl ein Hitzschlag erwischt, was nach den Symptomen nicht unwahrscheinlich wirkt. Jetzt jedenfalls pflegen wir sie und das tut ihr gut.

Morgen geht es leider schon weiter. Oaxaca ist definitiv eine längere Weile Aufenthalt wert und im Grunde müßte ich auch gar nicht wieder weg. Doch Mexiko City wartet auf uns und ich habe uns aus reinem Übermut den Platin-Bus gebucht. Yeah! Für die 6 1/2 Stunden Fahrt für uns drei kostet der uns 50€ mehr und die haue ich jetzt einfach mal raus. Ich hoffe, das zahlt sich in Form von Gemütlichkeit und Komfort aus.

Oaxaca II

Ostern feiern, egal wo man ist, das ist mit Kindern einfach gesetzt. Vor ca. 1.000 Jahren waren wir mal auf Gran Canaria und da war Ostern. Lucys Hasi wußte aber genau, daß der Osterhase seinen Job schon machen würde. Und siehe da, irgendwo im Nirgendwo lagen plötzlich lustige bunte Ostersachen rum und das Kind war glücklich. Und so würde es wohl auch dieses Mal werden, auch wenn Schokoladeneier bei ca. 36°C nicht so recht in Form bleiben, was soll’s. Vater und Mutter bestachen den mexikanischen Osterhasen und er tat sein Bestes.

Wir haben uns für diesen Tag ein Auto gemietet, trotz allgemeiner Angstmache im Internetz, wie unsicher und gefährlich Mexiko doch wäre. Sowas nervt ja immens und doch kann man sich dann schwer davon freimachen, obwohl hier niemand was von uns will. Alle Welt ist superfreundlich zu uns und wir sind einfach zurück freundlich. So sollte sich doch jeder verhalten, oder nicht? Anyway, wir haben heute ein Auto von den freundlichen Menschen von Silvers Car, das Auto ist prima und alles läuft. Wir hatten mal Lust, keine Tour zu machen sondern in eigenem Tempo die Sachen abzuklappern, die wir wollen.

Das geht los mit Tlacolula, wo wir auf den Markt sollen, der nur Sonntags öffnet. Da könnten wir frühstücken und dann nach Hierve el Agua fahren. Wir also nach Tlacolula auf den Markt, der so groß wie ein eigenes Stadtviertel ist, bzw. ein Viertel wird mit Ständen vollgestellt und mittendrin ist eine große Halle, in der noch mehr verkauft und verkocht wird. Und wir haben Glück, denn gleich an der Straßenecke, wo wir ankommen, ist ein Parkplatz in der prallen Sonne frei. Wir geparkt und los.

Der Markt beginnt mit Flohmarktständen und einer Absperrkette, die ich ein paar Mitmenschen hochhalte, damit sie zu Fuß oder mit Transporträdern durch können. Bedanken sich fein und einer schwätzt mich mit „howdy“ oder so an. Icke so „howdy“ zurück und dann auf spanisch weiter. Er so, woher? Icke so, Alemania. Er so, ui! Icke so, jaja. Naja, und dann erzähle ich, daß wir halb Mexiko bereisen und er, stolzer Mexikaner, freut sich und lobpreist, völlig zurecht, seine Heimat. Dann gehen wir weiter und betreten die große Halle.

Dort empfängt uns der Bereich, in dem tote Hühner feilgeboten werden. Vor der Tür liefen schon Leute mit zappelnden Hühnern durch die Gegend und Lucy und mir wurde ganz klamm ums Herz. Hier aber sind alle Hühner schon tot und liegen, Füße zuvorderst, auf den Tischen rum. Wir gehen mal weiter, vorbei an der Schwartenfranktion und in die Halle, wo es Brot und Gebackenes gibt. Das ist mir lieber und wir kaufen mal Brötchen, die so sind wie große Hamburger Rundstücke. Alles andere ist nämlich süßes Zeug, wovon wir gerade nichts wollen. Nächste Halle Obst und Gemüse und Fische und Gekochtes. Ich kaufe mal Mangos und bestelle uns was zu essen. Es gibt Taco mit Carnita für Sunja und Lucy und Tostada con Verduras für mich. Damit setzen wir uns dann hin und stärken uns für den kommenden Tag.

Nachdem alles gegessen ist, gehen wir mal wieder los, denn der Tag macht sonst schon ohne uns weiter. Noch schnell auf ein Baño Público, damit wir das nicht später irgendwo erledigen müssen. Und ich mache fast immer die Erfahrung, daß die hiesigen Toiletten, so gut wie immer ordentlich und gepflegt sind, was ich von Deutschland leider selten sagen kann (ich sage nur Autobahn…). Dann aber los und Google weist uns den Weg in unserem jetzt schön geheitzten Wagen (God bless the Klimaanlage).

Wir wollen natürlich die mautfreie Straße nehmen, denn wer will schon Maut zahlen. Also runter von der Landstraße und in Mitla auf eine interessante Nebenstraße, die am Point of no Return von einem freundlichen Schrankenwärter bewacht wird. Der nimmt uns natürlich keine Maut ab sondern sowas wie Zugangsgebühr (mit gedruckten Tickets) zur Straße zu den Quellen von Hierve el Agua. Freundlicher Mann, wünscht uns alles Gute und schönes Schwimmen. Dann geht es bergauf auf einer sehr schotterigen Serpentinenpiste, die sich auf locker 30-40 Minuten um den Berg schlängelt. Der Berg wird immer höher, der Abgrund neben uns dafür immer tiefer. Sunja mit Höhenangst verfällt vor Gruseln in Schlaf und Lucy und ich beten, daß nur kleine Entgegenkommer entgegenkommen. Das hilft auch, und wir treffen nur 5 Vehikel, die unseren Weg kreuzen und denen wir durch Warten an breiter Stelle Platz lassen.

Und endlich hat das Hoch- und Runterschlängeln ein Ende und wir kommen am ersten Ziel an. Hierve el Agua ist eine Gebirgsquelle, die blubbernd, aber durchaus nicht kochend, wie der Name suggeriert, aus dem Fels quillt. Dann läuft das stark mineralisierte Wasser am Hang runter und hat über die Jahrtausende weiße Zapfen und Spuren hinterlassen. Sehr hübsch!

Doch jetzt ist erst Ostern dran. Hasi und ich gehen vor, um ein paar Sachen hinzuostern und schon beim aus der Tasche holen bemerke ich, daß einiges davon zu heißer Schokolade geworden ist. Egal. Watt mutt, datt mutt, wie wir Mexikaner sagen. Also am Weg zu den Quellen verteilen und Passanten sagen, daß das nicht für sie sei. Klappt, wenn auch einige Tränen in den Augen haben. Dann kommen Sunja und Lucy und finden in den wenigen schattigen Plätzchen kleine, bunte Ostersachen, hihihi. Alle freuen sich.

Am Ende des Weges gibt es drei Becken, in die man hüpfen kann und die mit grünlichem Wasser gefüllt sind. Mit 23°C ist das Wasser angenehm kühl bei den herrschenden, gefühlten 1.000°C Außentemperatur. Wir baden uns abwechselnd, sehen noch die Quellen weiter oben an und machen uns danach, gestärkt mit einer ordentlich gezuckerten Horchata, auf den Weg nach Mitla, um dort Zapotekenruinen anzusehen. Diesmal nehmen wir aber die Mautobahn, die keine Zufahrtskontrolle hat, was beim Abfahren aber nicht stört, denn die Maut beträgt sowieso 82 Pesos.

Dann Mitla. Die Ruinen sind mitten im Ort, was ungewöhnlich ist. Die alten Tempel hat der Spanier seinerzeit zum Bau der Kirche genutzt, um damit auch schön die Einheimischen zu dissen. Kein feiner Zug, war aber damals so üblich und das mit Denkmalschutz kam ja auch alles erst viel später.

Mitla ist dann auch eine vergleichsweise kleine Stätte und wir bekommen leider keinen Ballspielplatz zu sehen, der sonst in ganz Mesoamerika üblich war. Beim Ballspiel mußte ein schwerer, harter Kautschukball mit Knien, Ellbogen oder Hüfte durch die Gegend geschubst werden, mit dem Ziel, ihn durch hoch hängende Ringe zu lüpfen oder anderswie Siegpunkte zu machen. Anfänglich diente das Spiel zur Konfliktlösung (Gewinner bekommt Recht), später (bei den Maya) wurde der Verlierer den Göttern geopfert. Jedenfalls hatte jede Stadt, die was auf sich hielt mindestens einen Ballspielplatz. Mitla anscheinend nicht. Schade für die. Und ich muß sagen, Mitla ist im Vergleich zu Chichén Itzá oder Uxmal etwa so wie Hannover zu Barcelona. Da kann man halt auch leben. Man muß zur Verteidigung aber sagen, daß undank der Spanier einfach nicht viel stehengeblieben ist. Dafür stehen in Mitla schöne Kakteen und Bäume, wovon wir einen der letzteren umarmen, weil er so nett ist.

Dann wieder raus auf den Vorplatz, wo uns der freundliche Parkplatzeinweiser eingewiesen hat und wir jetzt mittenmang zwischen lauter Ständen parken. Ich verliebe mich in eine schwarze Stofftasche mit dem Gott Xólotl drauf. Nach hartem Kampf mit Lucy („Papa, kauf Dir nicht dauernd Scheiß, den Du nicht benutzt und wovon Du schon 1.000 Stück hast“), kaufe ich mir eine 1.001te Stofftasche, die voll schön ist und über die ich mich gleich freue. Hat sich also schon gelohnt.

Dann gurken wir weiter und fahren zum Árbol del Tule. Der ist wirklich ca. 2.000 Jahre alt, riesig, wiegt ca. 636 tonnen und steht mittlerweile eingezäunt bei der kleinen Kirche des Dorfes. Er ist eins der weltgrößten Lebewesen und den Zapoteken heilig und steht obendrein unter staatlichem Schutz. Eine Tafel vor dem Baum besagt, es habe mal ein reicher Händler aus Oaxaca versucht ihn den Zapoteken abzukaufen um aus dem Holz Möbel zu machen, die hätten aber zum Glück abgelehnt. Leider dürfen wir ihn nicht umarmen (dazu bräuchte man auch 55 Menschen), also werfen wir stattdessen Münzen in den gegenüberliegenden Wunschbrunnen und freuen uns, hierzusein.

Und dann ist auch mal Schluß für heute. Wir kaufen noch fix was ein und stecken es in meine total supere neue Stofftasche und dann leitet uns Frau Google nach Haus.

Autofahren in diesem Teil Mexikos ist übrigens sehr angenehm, denn man nimmt viel Rücksicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer (ob es hier rechts-vor-links gibt, habe ich bislang nicht begriffen, aber das macht auch nichts).

Und so endet dieser Spannende Tag. Wir betreiten uns seelisch schon auf morgen vor, denn da geht es nach Monte Albán und das ist wieder riesig.

Käfer

Der VW Käfer, der ErVolkswagen, wie man ihn auch gern nannte, ist ein wichtiges Element im Leben eines jeden, der mal einen hatte. Eine tiefe und innige Bindung wuchs zwischen vielen Fahrern dieses schönen Automobils, denn es verkörperte auf seine Art die Liebenswertigkeit.

Mein erstes Auto war ein 1970er VW 1300L, Diamantblau L50B, den ich von meiner Mutter geerbt hatte. Herrmann hatte sie ihn getauft und, wie man Kinder auch nicht umbenennt, hieß er auch bei mir genau so.

Herrmann war ein tolles Auto und ich liebte ihn abgöttisch. Naja, vielleicht nicht ganz so, aber bis heute hat er einen Platz in meinem Herzen. Nie werde ich meine erste eigene Fahrt mit ihm vergessen, als ich ihn aus Wilhelmsburg nach Lüchow-Dannenberg fahren wollte. Der Tank war leer und wir kippten erstmal was rein. Dann fuhren wir zur Tankstelle und tankten voll, doch nach ein, zwei Kilometer blieb er in der Kurve der wilhelmsburger Umgehungsstraße stehen.

In der Werkstatt, zu der mich mein Vater hinschleppte, fand man nichts akutes, aber der Wagen fuhr plötzlich wieder. Naja, fährt ja, dachten wir uns und fuhren aufs Land. Während der Fahrt roch es schlimm nach Benzin, wobei ich mir nicht viel dachte und das Fenster öffnete. Das half. In Langendorf angekommen, legten wir uns schlafen und wollten Herrmann am Folgetag zur dortigen Werkstatt bringen. Am nächsten Morgen stieg ich ein und es machte „patsch“. Mein Fuß stand in Benzin. Eher nicht so schön. Mit geöffneter Tür startete ich den Wagen und wir fuhren im Convoy die zehn Kilometer zur Werkstatt. Das waren sehr lange zehn Kilometer für mich. Doch alles ging gut und ein paar Tage später sagte man mir, daß da ca. 15 Liter Benzin im Wagen rumschwappten, da die Leitung durchgerostet war…

Andere Erlebnisse waren dann die Fahrt nach Italien, über den Brenner und Fahrten in Genua, bei denen ich durch gewagtes Fahren einmal fast zum Mörder geworden wäre.

So verbindet jeder Käferfahrer wichtige Erinnerungen mit seinem Gefährt (Heizung im Winter…) und alle erzeugen diese tiefe Bindung.

Daher macht es mich immer glücklich, wenn ich hier in Mexiko oder auch zu Hause den typischen Klang des Käfer-Boxermotors höre und daher möchte ich Euch an diesem Glück teilhaben lassen, indem ich Euch einige Exemplare des Mexikokäfers zeige.

Liebe Grüße
Riklef

Oaxaca

Oaxaca macht alles richtig. Wir kommen nach 15 Stunden anstrengender Kurvenfahrt an und die Temperatur ist angenehm aber nicht zu heiß, die Toiletten werden durchgehend geputzt, die Terminal-Wartehalle ist freundlich, draußen an der Wand steht „Bienvenido a Oaxaca“, es gibt einen kleinen Laden, in dem heiße Schokolade per Hand aufgeschäumt wird und sogar der feilgebotene Kaffee schmeckt, vor der Tür stehen viele Taxifahrer, die einen aber nicht nerven, sondern einfach dastehen und die Straße vor dem Terminal ist freundlich und einladend. So kommt man gern in dieser Stadt an. Es liegt auch nicht überall Müll rum, was auch Eindruck schindet.

Der krasse Gegensatz dazu war unser Zwischenstopp in Villahermosa, was, dort wo wir es gesehen haben, leider keineswegs hermosa (schön) war. Das schönste, was wir zu sehen bekamen war ein kleines Einkaufszentrum mit passablen Toiletten und einem Domino’s Pizzaladen. Na gut, auch der kleine Tourishop war sehr nett.

Dieser Zwischenstopp war nötig, weil wir im Bundessstaat Tabasco Tabasco kaufen wollten. Dann, im Chedraui-Supermarkt, stellten wir fest, daß die allseits bekannte „Tabasco“-Sauce aus den USA kommt… Also haben wir kurzerhand heimische Chilisauce gekauft, auf der „Producto de Tabasco“ steht. Was für eine Reinlege von diesen Amerikanern…

Nun aber Oaxaca und ich bin verliebt in diese Stadt. Wir wohnen in einem sehr hübschen AirBnB im Viertel La Cascada, was an einer Straße liegt, die direkt in die Innenstadt führt. Da werden wir bald lang. Vorher wollen wir aber noch Wäsche waschen lassen.

Auf dem Weg zu einer uns von unserer freundlichen Vermieterin gewiesenen Wäscherei, kommen wir an einem Nachbarn vorbei, der uns ebenfalls freundlich grüßt, fragt, woher wir kommen und uns einlädt, bei jeglichen Bedürfnissen vorbeizukommen. Wir, vielen Dank, sehr gern, bis bald, wir gehen gerade in die Stadt. Zehn meter weiter fällt uns ein, daß wir die Wäsche vergessen haben. Zurück, ich, der Ausflug ging schnell rum, hahaha, nein, Wäsche vergessen. 2 Minuten später mit Wäsche im Arm, na, wir versuchen es noch einmal. Bei der Wäscherei, Laden zu, wir zurück, alle müssen lachen. Er, da und da, neben dem Oxxo gibt es noch ne Wäscherei. Wir so, danke, gehen dahin, Laden zu, wir stattdessen zum Oxxo, allerlei Zeug zu essen kaufen.

Auf dem Rückweg zerteile ich meinen Großenzehnagel in zwei blutende Fragmente, weil ich die hoch aufragenden Betonplatte übersehe und voll mit dem FlipFlopFuß dagegen trete. Tut eher weh. Dabei fällt Sunja ein, daß wir auch die Wäsche aus dem Oxxo wieder mitnehmen könnten. Ich humpele also schon vor, sie holt die Wäsche zurück. Der Morgen also schon ein voller Erfolg. Doch die Laune ist und bleibt gut.

Zu Hause finde ich gleich die Reiseapotheke und verarzte mich, während Lucy hilfreich alles in den Kühlschrank packt und Sunja reinläßt, die mit der Wäsche nachkommt. Alles nicht mehr so schlimm und zu Mittag auf dem Balkon schmeckt ein schnapsfreies Corona als Entschädigung auch sehr gut.

Kurz geruht, dann gehen Sunja und ich raus, Kind bleibt chillend zurück. Die Straße führt auf den Zócalo, den Hauptplatz zu, doch bis dahin kommen wir gar nicht. Vorbei an schön bemalten Wänden und einem Aquädukt von Anno dunnemals geht es zu auf einen Stand mit lokalem Essen. Wir dran und Empanada mit Queso und Flor (Käse und Kürbisblüten) bestellt. Dabei sprechen wir mit einem Einheimischen, der uns von der gleich startenden Osterprozession erzählt, die 5 Meter weiter losgeht. Wir da hin und kucken alles gebannt an. Das war ja einer der Punkte, auf den ich so gespannt war.

Nachdem wir diverse Abteilungen gesehen haben, beschließen wir, schnell das Kind abzuholen, um ihr die Welt zu zeigen, denn kulturell ist so eine Prozession total spannend. Zum Einen erzählt sie die Jesus-Geschichte nach und zum Anderen bindet sie die ganze Gemeinde ein, die Fahnen, Kerzen und Figuren tragen, plus Büßer (Penitentes), die hinter Jesus her auch selbst Kreuze tragen. Dabei tragen sie als einzige lila Kapuzen, wodurch ihre Gesichter verdeckt bleiben. Es scheint also wirklich Buße zu sein, die da getan wird, indem man stundenlang ein schweres Kreuz durch die Straßen trägt. Uns Nordeuropäern ist das ja eher fremd aber schon in Südeuropa sind diese Bräuche ebenfalls noch gängig. Irgendwo hier in Mexiko lassen sich sehr beseelte sogar echt ans Kreuz nageln. Das finde ich dann doch recht viel. Je nun, ich hoffe, keiner wird dazu gezwungen.

Das ganze geht eine Weile, bis der Zug durchs Viertel gezogen ist und wieder am Ursprung sein Ende findet. Wir sind bis zum Schluß mitgegangen und machen nun den bunten Markt drumherum unsicher. Abnehmen fällt einem im mexikanischen Alltag schwerer als man meinen mag, denn an jeder Ecke stehen Stände mit süßen Getränken in Großbehältern, die Bäckereien bieten größtenteils Süßgebäck an, sodaß selbst Vollkorntoast süß schmeckt und neben denen für Wasser sind die größten Getränkegebinde die für Cola und dergleichenem Süßzeug.

So bekommt heute jeder von uns sein Fett weg, indem wir Horchata trinken (vergleichbar mit trinkbar gemachtem Griesbrei) und uns Eis und Riesencrêpe mit Monstermassen Nutella reinpfeifen. Ich hoffe nur, daß wir das auch bald wieder abwandern.

Dann geht es nach Haus, wo Lucy und ich noch schnell zwei Ostereier anmalen und dann ins Bett, denn die kommenden Tage in dieser Stadt mitsamt Umbegung werden wieder mit viel Aktion bepackt werden.

Palenque

Tag 1 – Ruinas und Stadt

Palenque ist wieder so ein Ort, bei dem ich mich frage, warum diese Busse eigentlich immer durch so gräusliche Hinterstraßen fahren, wenn sie ankommen? Insbesondere, wenn man nach locker zehn Stunden Fahrt gerädert aus dem Bus torkelt, ist man anfälliger dafür, der Stadt gleich zu Anfang Abzüge in der B-Note zu erteilen.

In der Tat kommen wir gerädert aus dem Vehikel, das uns tapfer von Mérida bis hier gegondelt hat, lediglich mit einer kleinen Pause mitten in der Nacht an einer Haltestelle mit gruseligen Toiletten, dafür aber mit interessantem Warnschild, was man bei Hurricanen und bei Feuer machen soll.

Wie dem auch sei, wir steigen aus und kurz darauf bemerken wir, daß wir die Tasche mit unseren tollen neuen Hüten vergessen haben. Doh! Ich zurück zum Bus, der schon weggeparkt. Ich den Parkwächter, der, wir gehen mal kucken. Wir am Bus, keine Hüte. Mist! Nach den Hinterstraßen gleich den nächsten Downer des Tages geerntet. Fäck! Hat uns doch glatt wer die Hüte geklaut. Je nun, ist nicht die Welt, Hüte gibts ja wieder, auch wenn es um die Einkaufstasche schade ist. Jetzt erst einmal frühstücken.

Auf der Suche nach einem Bistro oder Frühstücksresto, schwätzt uns ein einheimischer Touristenfänger namens Pedro an, ob wir nicht auf Tour X, Y oder Z wollen. Ich höre mir das kurz an und lasse mir mal einen Zettel in die Hand drücken. Schließlich bin ich noch müde und widerstandslos und vielleicht machen wir ja wirklich einfach mal was mit.

Mittlerweile haben wir die einzige bistroartige Einrichtung des Busbahnhofes gefunden und bestellen Kaffee und Pancakes. Die sehr umfangreiche und mäßig freundliche Bedienung und Köchin macht sich an die Arbeit und fabriziert uns etwas, was optisch dem Bestellten anmutet, geschmacklich dem jedoch nicht recht nachkommen mag. Der dazu gereichte Honig wurde zudem einer kleinen Kohorte Ameisen zum feuchten Grab, was ebenfalls den Appetit mindert. Auf meinen Hinweis, daß da Ameisen drinnen seien, gibt mir die Köchin-Bedienerin kurzerhand den Honig-Urtopf, der aber auch voller Ameisen ist. Wir lassen dann irgendwann ab vom Frühstück.

In der Zwischenzeit haben wir unseren Tourmann gefragt, ob er nicht auch einen Taximann hätte und er hat. Der so, klar doch. So sitzen wir im Schatten auf der Veranda des Busbahnhofes und lassen bei 30° Außentemperatur die Pancakes kalt werden, während wir aufs Taxi warten. Und wie wir da so sitzen und warten, geschiet das kleine Alltagswunder: die Busfahrer kehren von ihrer Pause zurück. Ich fix zu denen hin, ob sie noch eine Tasche mit Hüten gefunden hätten. Die so, jo. Haben wir weggeschlossen. Holen wir eben.

Ich ihnen hinterher und der eine läuft gemächlich über den großen Busparkplatz zu einem anderen Gebäude. Kurz darauf kehrt er mit Sunjas Einkaufstasche und den Hüten zurück. Ich danke ihnen überschwänglich und kehre mit unserer geliebten Habe zurück zu den Meedels. Alle sind gleich etwas beruhigter und das aufkeimende Mißtrauen löst sich umgehend in Wohlgefallen auf. Ein Glück!

Dann kommt auch unser Taximann und der fährt uns an die Straßenecke, an der sich unsere Unterkunft befinden soll. In Palenque gab es nicht so viel Auswahl und nachdem wir den Eingang, eine schwarze Eisentür, ausgemacht haben, betreten wir über eine geflieste Treppe das eher schlichte aber freundliche Domizil.

Zunächst wird alles beäugt: Wohnküche mit Tresen und Klappsofa, Duschbad, Schlafzimmer mit Doppelbett und Fernseher. WLAN geht auch, yeah! Dann räumen wir ein, was einzuräumen ist und ruhen uns etwas aus.

Doch bald schon treibt es Sunja und mich wieder vor die Tür, während Lucy noch Atem zum Ausruhen hat. Sie bleibt also da und wir erkunden Palenque, das Pueblo Mágico in Chiapas. Unser aktuelles Heim ist nicht weit vom Parque Central und dem aktuell dort stattfindenden Markt entfernt. Wir brauchen, wie so oft, erst einmal Bares, also auf zur Automatensuche. Das gestaltet sich etwas schwieriger, denn zum Einen mißverstehe ich öfter, was man uns sagt und wenn wir doch mal hinfinden, ist der Automat gern mal kaputt.

Doch schon der dritte Automat funktioniert und endlich sind wir wieder bereit, hübsche Andenken zu kaufen und uns sonstwie zu verlustieren. Das tun wir auch gleich an den nächsten Ecken und ich erstehe zwei hübsche Perlenvögelchen, die ich daheim zu verschenken gedenke.

Der weitere Plan für Palenque sieht so aus: heute zu den Ruinas, morgen zu den Wasserfällen von Agua Azul. Jetzt rausbekommen, wie das vonstatten gehen kann. Mein Wunsch wäre ja, einfach ein Colectivo zu nehmen, also sowas wie ein Gelegenheitsbus, der losfährt, wenn genügend Leute drinnen sitzen und dann vor Ort alles ansehen, was dort rumliegt. Und die Person, die uns erklärt, wie man zu den Colectivos kommt, sitzt in einer kleinen Kiste mit der Aufschrift Información turística. Zum Glück ist er gerade dort und sagt uns, wo alles ist, sodaß wir bald darauf zurück nach Haus gehen, um Lucy vom WLAN zu trennen.

Nun, gerüstet mit Wasser und Kind, geht es gleich wieder hinaus in die sengende Hitze, die Straße hinunter zum Parque Central, dort über die Plaza, noch ein paar Straßen weiter und dann um die Ecke. Natürlich habe ich bis dahin noch dreimal nach dem Weg gefragt, aber das macht ja auch Reisen aus.

Bei den Colectivos finden wir auch bald jemanden zum Ansprechen, der uns in den Bus setzt und uns noch etwas dort warten läßt. Dann geht es irgendwann los und wir fahren aus der Stadt heraus und auf einer Landstraße in den Dschungel hinein. Nach geschätzt 20 Minuten hält der Wagen dann bei den Ruinas und wir steigen aus.

Wie immer tummeln sich am Eingang allerhand Guides, die dort natürlich Guías heißen und die einem vieles zeigen wollen. Leider sind wir schlimme Ignoranten und wollen nichts. Wir gehen zu den zwei Kassen und lösen unsere Tickets für die INAH und für die Stätte. Inklusive im Preis wäre auch das Museum, doch dazu wird kaum Zeit sein. Alle Ruinas schließen in der Regel gegen fünf Uhr und jetzt ist es schon fast drei. Hinter den Kassen müssen wir noch etwas die Straße entlang laufen, wo wir wieder allerhand freundlichen Guías in die Arme laufen. Doch auch die weisen wir freundlich ab und betreten nun den Fußpfad in den Dschungel, zur Ausgrabungsstätte.

Sogleich befinden wir uns im Urwald, der natürlich auch kein wirklicher „Ur“-Wald mehr ist, denn schon die Maya hatten ihrerzeit massig Vegetation niedergemacht, um Städte darauf zu bauen. Man nimmt an, daß das auch letztlich nicht gut für sie war und ihre Zivilisation wohl daran zugrunde gegangen sei. Doch die Natur kam zurück und nun stehen wir mittendrin und freuen uns über Bäume und Flüßchen. Machen gleich Bilder vor einem solche, wobei uns blöderweise eine unserer Plastikflaschen vom Steg fällt. Wir so, oh nein! Lucy so, Papa, hol! Ich so, hä? Naja, und dann klettere ich verbotenerweise abseits vom ausgewiesenen Weg runter an den Bach und hole die doofe Flasche wieder. Hat ja Recht, das Kind und in echt habe ich mich auch gar nicht gesträubt.

Dann geht es weiter. Jetzt folgen die ersten Gemäuer sowie Bäume mit breiten, brettartigen Ansätzen, die sich in einen Stamm vereinen. Dann Treppen und die nicht zu knapp und ziemlich hoch. Bei dieser Hitze und Luftfeuchtigkeit nicht ausschließlich eine Freude. Dann treten wir von der Treppe ins Freie und sind auf einem Plateau mit lauter großen Gebäuden. Wow! Sogar den Rasen haben die Maya noch kürzlich gemäht!

Hier steht eine große Anlage mit allerlei Gebäuden und dem unentbehrlichen Ballspielplatz, wie könnte es auch anders sein?! Und obwohl dies schon groß anmutet, heißt es, daß in Palenque gerade einmal 10% aller Ruinen ausgegraben sind. Und ausgegraben heißt in diesem Falle sogar, daß sie so restauriert sind, daß man sie besteigen kann und darf. Endlich! Also schnell rauf auf den nächstbesten Tempel und der ist ganz schön steil und hoch. Oben angekommen, stelle ich mich auf die Stufen des obigen Altars und versuche ein Panorama von dort zu knipsen.

Lucy ist schon oben und auch Sunja kämpft sich tapfer gegen ihre Höhenangst hinauf. Das finde ich immer wieder bewundernswert, zumal es echt steil und echt hoch ist und es arg holperig wäre, hier runterzupurzeln. Als dann alle oben sind, trinken wir etwas Wasser und knabbern irgendwas, kucken rum und ich freue mich über dieses Erlebnis.

Irgendwann ist aber genug gekuckt und wir klettern wieder runter. Während es Lucy und mich eher in den Oberschenkeln anstrengt, krabbelt Sunja Füße zuerst die Treppe runter. Und auch das ist irgendwann geschafft, sodaß wir den Rest der Plaza erkunden gehen.

Also: Ballspiel, dann Erhöhung mit Zentralgebilde, an dem gerade „neue“ Relieffs freigelegt werden, schräg dahinter dann zwei weitere hohe Gebäude, von denen eins sogar zu betreten ist. Es erweist sich als die Grabkammer Pakals des I., in der es angenehm kühl ist und es unerwartet viel Kopffreiheit gibt. Prima restauriert alles. Einer nach dem anderen geht rein, kuckt und kommt wieder raus. Es ist also wirklich sehr touristenarm hier. Herrlich!

Doch kaum, daß man an sie denkt, kommen sie aus dem Wald gekrochen. Eine kleine Reisegruppe betritt beschaulich den Platz von der anderen Seite und bekommt Erklärungen zu den Gebäuden. Für uns ist es aber inzwischen genug, da es einerseits schon spät, andererseits auch echt heiß und wir ohne Wasser sind. Daher beenden wir hier den Besuch der Ruinas von Palenque und ich bin ganz beseelt.

Wir verlassen das Plateau wieder in den Wald hinein und gehen über gepflasterte Fußwege hinab zum Busplatz, auf dem sich auch wieder allerhand Verkaufsstände tummeln. Dort gibt es für uns erst einmal was zu trinken und während die Meedchen hübsche Dinge für sich ankucken, kaufe ich meiner Schwester ein hübsches Huipil, ein nach Mayaart besticktes Oberteil. Hoffentlich paßt es ihr bloß, denke ich. Falls nicht, bekommt sie halt was anderes.

Dann suchen wir uns den Colectivo zurück in die Stadt. Wir finden einen, zahlen unsere 20 Pesos pro Nase und gondeln zurück. Wir steigen an der Endstation aus, damit wir noch etwas durch die Stadt wandern können. Die ist nach wie vor bunt und laut und überall gibt es Hunde, die bei der Hitze nur träge in der Gegend rumliegen können. Katzen dagegen gibt es sehr selten.

Wir kucken uns durch allerhand Läden und eine Art Bäckerei, wo wir uns nach typischem Backwerk erkundigen sowie nach einem Restaurant, in dem mal einheimisch essen kann. Die Bäckerin oder Bäckereifachverkäuferin, wir wissen es nicht genau, berät uns gern und weist uns den Weg zu einem Restaurant, in dem man schön sitzen, essen und rauskucken kann. Lucy bekommt ein sehr großes Glas Erfrischendes und Sunja und ich teilen uns eine Karaffe Bier, das jetzt auch sehr erfrischend ist. Dann kommt das Essen und wir schnabbeln alles auf, bis auf das von Sunja bestellte, das in der Küche wohl vergessen wurde. Das wird aber berichtigt und dann kann auch sie von ihrem Eigenbestellten nehmen.

Als wir alle satt und kugelig sind, geht es wieder in Richtung Heimat. Auf dem Weg dahin versuchen wir noch Haargummis und eine Wäscheleine zu bekommen, was wir auch schaffen. Haargummis gibt es wie Sand am Meer, wogegen erst der dritte Laden mein Ansinnen versteht und mir eine gekordelte Wäscheleine verkauft, die man anscheinend sogar ohne Wäscheklammern benutzt, indem man einfach Wäschezipfel in die Kordel klemmt. Gewitzt!

So erreichen wir im Dunkeln endlich unsere Bleibe und ruhen uns bei etwas Wäschewaschen und Filmglotzen aus. Doch irgendwann müssen wir sogar den Film aufgeben, da er Lucy peinlich vor uns wird (da knutschen welche im Film, iiieh).

So endet dann also der erste, sehr erfolgreiche Tag in Palenque.

Tag 2 – Misol Ha und Agua Azul

Unser zweiter Tag in Palenque beginnt in großer Ruhe. Wir haben auf den Werbezettel des Tourtypen Pedro von gestern gekuckt und da steht ein Ausflug nach Misol-Ha (das ist Chol für Wasserfall) und zu den Wasserfällen von Agua Azul. Das hatten wir im Reiseführer gesehen und jetzt wollen wir da mal hin.

Also schreibe ich Pedro Palenque an, wie ich ihn inzwischen nenne, und frage, ob da noch Platz ist für uns drei. Es kostet 450 Pesos (~25 €) pro Nase, was für eine Tagestour sehr in Ordnung ist, wie ich finde. Pedro meldet sich dann auch und sagt, jaja, alles kein Problem. Wir so, Yeah! So setzen wir uns also vor die Tür und warten auf Pedros Bus. Der kommt nicht. Ich so, he Pedro, kommt Ihr noch? Der so, jajaja und schickt fix einen mit nem Auto, uns abzuholen. Wir überrascht, daß es doch kein Bus wird sondern ein klimatisiertes Auto, doch der Fahrer beruhigt uns, daß er uns nur zum Treffpunkt fährt. Wir so, na ein Glück.

Der Treffpunkt ist eine Tankstelle, hinter der gerade Müll verbrannt wird, was eine übliche Tagesbeschäftigung in dieser Gegend ist. Stinkt etwas. Wir kurz rein und kucken uns um, haben aber eigentlich alles, was wir brauchen. Dann kommt auch schon unser Minibus und wir dürfen dazusteigen. Sunja darf auf die regulären Sitze, Lucy kommt auf den Beifahrersitz und ich werde auf die Taschenablage in der Mitte gesetzt. Bißchen niedrig aber ok, denn so kann ich, leicht gebeugt, vorn rauskucken, sehe alles und kann mit dem Fahrer schwätzen, was ich auch tue, so gut ich kann.

Die Fahrt nach Misol-Ha dauert ca. eine halbe Stunde und geht über kleine landstraßenartige Wege durch die hügelige und waldige Gegend. Dann kommen wir an einer kleinen Absperrung vorbei, an der der Fahrer anhält und Eintritt für 11 Personen zahlen muß. Das geht alles in Bar und jeder bekommt sein Billettchen mit Bild drauf. Dann fährt er zum Parkplatz wo wir alle rausgelassen werden und 30 Minuten Zeit haben, das nötigste zu erledigen. Also los, fix den Wasserfall finden und schöne Fotos machen.

Misol-Ha wird überwiegend von Mexikanern, doch es kommen auch ein paar Europäer, wie mir der Busfahrer erklärt hat. Das merkt man auch. Alles sehr gemütlich.

Auf dem Weg zum Wasserfall stehen, wie immer, allerhand Essens- und Andenkenstände, doch die Zeit ist wirklich knapp bemessen und wir sputen uns, um nachher nicht zu spät zurückzukommen. Und da ist er schon, der Misol-Ha, ein hübscher schmaler Silberstreifen, der vom Berggesims herabfällt in einen nahezu kreisrunden Teich. Darinnen schwimmen ein paar Menschen und wir sind etwas neidisch, denn es ist schon schön warm. Stattdessen machen wir schöne und lustige Fotos vom Ort und von uns mit dem Ort.

Man kann auch auf einem schmalen Pfad einmal um den Teich, hinter den Wasserfall gehen, was Lucy und ich auch fix tun. Dort läuft das Wasser auch aus dem Gestein und macht kleine Pfützen, deren Wasser wir uns ins Gesicht spritzen, was angenehm kühl ist. Weiter hinten ist noch eine begehbare Höhle, die A. Geld kostet und B. noch mehr Zeit bräuchte, also lassen wir die Höhle Höhle sein und gehen zurück. Wir sind eh spät dran. Hier wäre eine ganze Stunde auch ok gewesen.

Also eilen wir zurück zum Bus und sind auch wirklich die letzten. Alles eingestiegen und weiter geht’s. Die nächste Etappe dauert ca. eine Stunde und Ruckelt uns bergauf und bergab serpentinig durch die Landschaft. So kommen wir höher und höher und immer weiter Richtung Agua Azul. Es geht vorbei an Dörfern und kleinen Häuseransammlungen und überall steht jemand mit einem kleinen, improvisierten Stand an der Straße und verkauft irgendwas. Manchmal wird der ein vorbeifahrender Wagen dazu ermutigt anzuhalten, indem eine Leine über die Straße gespannt wird. Unser Fahrer fährt dann einfach langsam darauf zu, bis die Person die Leine einfach fallen läßt. Dann halt nicht.

Immer wieder sieht man auch Rauchfahnen von brennendem Müll sowie jede Menge losen Plastikmülls am Straßenrand, hier, mitten im Urwald. Da denke ich mal wieder, Einwegpfand ist schon ne geile Erfindung.

Dann sehe ich am Berghang plötzlich Maisfelder und frage mich, wie die denn dahin kommen. Die wirken hier so fehl am Platze. Unser Fahrer meint, die seien oft zum Eigengebrauch dort gepflanzt, also richtige Felder, die dann wohl von Hand geerntet werden müssen. Einfach ist das Leben hier nicht. Er sagt, es müsse auch immer die ganze Familie anpacken, damit es zum Leben reiche. Oft hat der Vater einen Job und Frau und Kinder leisten dann dazu, was sie können, wie eben, am Straßenrand etwas verkaufen.

Dann passieren wir plötzlich lauter Palmen, die sich ebensowenig ins Landschaftsbild fügen wie zuvor der Mais. Das sei eine von mittlerweile mehreren Ölpalmenplantagen. Die seien auch ein Problem, meint er und das kennen wir ja zur Genüge schon von anderen Weltgegenden. Hier also auch.

Dann erreichen wir endlich Las Cascadas de Agua Azul.

Wieder werden wir rausgelassen und bekommen diesmal dankenswerterweise deutlich mehr Zeit, wodurch man hier baden kann und, natürlich, Schnickschnack kaufen. Die Temperatur ist angenehm, nicht mehr so heiß wie vorher und wir gehen auf die Stände- und Restostraße zu und in einem ist Agua Azul anders als die anderen Orte, denn hier werden wir wesentlich hartnäckiger und nerviger von Verkäufern belagert. Aber auch das endet und wir setzen uns irgendwohin und bestellen etwas zu essen.

Von unserem Tisch aus können wir das Wasser sehen und es ist in der Tat unglaublich blau. Es ist eine Art milchiges Azurblau und wirklich schön. Es ist so anziehend, daß man die ganze Zeit einfach da rein will. Aber es ist heute nicht ernstlich warm und der Boden ist voller Menschen und beim Wasser natürlich auch ein bißchen matschig. Wir finden uns dennoch ein Plätzchen und gehen abwechselnd mit Lucy ins Wasser, das, man höre und staune, bergquellenkalt ist, also etwas bei 18-20°C. Erfrischend sagt der Eine, „warm, wie in der Badewanne“ würde Opa Udo sagen. Doch der sagt das immer, auch bei -4.000°. Egal, wir kennen die Fuentes del Algar, da ist das genauso und wir sind tapfer.

Eins wird aber schon im Vorbecken klar: hier gibt es Strömung und das nicht zu knapp. Nicht umsonst wurde der erlaubte Bereich für Touristen schon vor Jahren stark begrenzt, nachdem diverse Menschen in den kräftigen, kalten Wirbeln des Gebirgsflusses ertrunken sind. Diesen Ehrgeiz haben wir nicht, ich als mäßiger Schimmer eh nicht, und deshalb plantschen wir nur ein bißchen im erlaubten Bereich rum. Und während ich schon wieder raus bin und angezogen, machen Lucy und Sunja noch lustige Fotos mit Hasi vor den Cascadas.

Doch Wetter und Touribus treiben auch sie schließlich wieder heraus. Dabei treffen wir noch kurz eine deutsche Familie (Mama, Papa, Kind), mit denen wir kurz beim Anziehen schwätzen. Nette Leute. Dann, überwiegend angezogen, suchen wir weitere Blicke auf die Wasserfälle zu erhaschen und klettern den Weg über allerhand Holztreppen bergan. Dabei kommen wir vorbei an allerlei Ständen, die die Treppen säumen, unter anderem an solchen für frisches Obst wie Kakaoschoten. Die wollen wir probieren. Wir kaufen eine, die uns kurzerhand mit der Machete gespalten wird, worauf sich die Bohnen in ihrem Fruchtfleisch auftun. Das schmeckt fruchtig, bananig und man kann lange darauf rumlutschen. Wird dadurch nicht besser aber es ist lustig glitschig. Auch ein witziges Erlebnis. Die Bohnen danach zu zerbeißen, ist im wesentlichen dann nur herb.

Weiter oben gibt es mehrere Platformen, von denen aus man die verschiedenen Stufen des Wasserfalls sehen kann. Wie glücklich ich bin, diesen Ort durch Zufall in einem der Mexikoführer aus der Bücherhalle gefunden zu haben! Wie vieles im Leben doch von Zufällen abhängt. Aber ohne Planungswillen hätte ich auch nie diesen Führer ausgeliehen. Man muß dem Glück einfach manchmal auf die Sprünge helfen. Oben angelangt, sehen wir auf die ganze Pracht dieses Ortes hinab und freuen uns über all seine Schönheit.

Dann aber treibt uns der Termindruck wieder in Richtung Ausgang. Wie schade, aber ohne Landeskenntnis wollten wir hier lieber nicht selbst fahren. Denn so aufgeschlossen wir sind, bleibt doch irgendetwas der ganzen Schauergeschichten hängen, die man vor so einer Reise erzählt bekommt. Da wird man dann doch etwas vorsichtig. Naja, später vielleicht.

So besorgen wir uns auf dem Rückweg noch eine Kakaoschote und machen uns wieder auf den Weg zu unserem Bus. Der Wartet treu auf dem Parkplatz und nach und nach finden sich alle Besucher wieder ein. Wieder steigen alle ein, Lucy und ich wieder vorn beim Fahrer, ich wieder auf der Taschenablage, leicht gebeugt.

Dann geht es zurück über Berg und Tal, vorbei an Maisfeldern, Palmölplantagen, durch den Urwald und vorbei an Hunden und Zopiloten, die sich am Straßenrand um irgendwas balgen. Schönstes Detail unter vielen: mitten auf einer Kreuzung liegt ein Hund, der dort anscheinend einfach pennt. Verschiedene Autos kommen angefahren, umkurven aber alle sorgsam den schlafenden Wauwi <3.

Schließlich erreichen wir wieder Palenque, inzwischen völlig im Dunkeln, und nach und nach werden alle Gäste in ihren Hotels abgeladen. Ich frage mich die ganze Zeit, ob man Trinkgeld gibt und wieviel, doch selbst die Mexikanerinnen, die in dieser Gruppe sind, lassen nichts springen. Irgendwie ist es mir peinlich, nichts zu geben, doch aus Mangel an Ahnung lasse ich es letztlich auch. Wurmt mich noch heute, denn was sind mir 100 Pesos und was wären sie ihm gewesen?

Je nun, er läßt uns bei unserer Bleibe raus, nachdem wir sie mit Umwegen gefunden haben, und wartet geduldig, bis wir im Haus verschwinden. Wir klettern die heiße Treppe hinauf und bereiten uns auf die verdiente Bettruhe vor, denn morgen erwartet uns unsere bislang längste Fahrt, von Palenque über Villahermosa nach Oaxaca. 17 Stunden sollen es werden. ¡Ay ay ay!

Abfahrtstag

Der neue Tag beginnt und wir packen mal wieder alles ein. Da noch etwas Zeit ist, gehen Sunja und ich noch einmal auf die Plaza, wo sie gestern noch eine Kette entdeckt hatte, bei deren Erstehung ich nun verbale Hilfe leisten soll. Wir also hin und es wird eine hübsche Kette beschaut, die dann noch von der Marketenderin selbst modifiziert wird (sie ist offensichtlich Kunstschmiedin) und dann von Sunja erworben. Alle sind zufrieden und dann möchte ich noch in einem Café einen Espresso o.ä. trinken. Doch auch hier zeigt sich, daß Kaffee vielleicht hier angebaut wird, er jedoch gesellschaftlich hier im Osten wenig Halt gefunden hat. Schmeckt so ok. Später in Oaxaca oder Mexico City sieht das schon ganz anders aus.

Dann lasse ich mich noch von ein paar Statuetten fotowirksam bedrohen, bevor wir zurück zum Kinde und mit ihr dann im Taxi (das erstaunlich lang braucht) zum Busbahnhof fahren. Dort folgt dann das übliche mit Rumsitzen, warten, Ticket vorzeigen, einsteigen und schlafen, und so weiter. Auf zur nächsten Etappe.

Was weiter geschah… schnelle Zusammenfassung der nächsten Tage

Cancún, Tulum, Chichén Itzá, Mérida und jetzt Palenque. Das ist schon ein fettes Programm, wenn man das alles seit dem 17.03. macht und heute ist der 26.

Ganz grob zusammengefasst waren wir in Cancún ankommen, einkaufen und schwimmen. Tulum hat von uns sogar einen Ruinenbesuch geschafft sowie vier Cenotes und etwas Innenstadt. Mérida ist eine weitere Reise wert, denn sowohl in der Stadt als auch drumherum kann man allerhand besuchen. Geschafft haben wir die Mayaruine Uxmal (spricht sich [úsch-mall]), ein klitzekleines Wenig Altstadt und den Strand von Progreso mit dem längsten Pier der Welt, viel Wasser und ordentlich warmem Wind.

All das ist sorgsam in Stichworten notiert und wartet alles auf einzelne Ausarbeitung. Doch Ihr braucht vielleicht zwischendurch mal ein kleines Wrap-up, dachte ich mir, wenn ich schon zu nichts komme, weil wir ständig durch die Gegend fahren und Sachen erleben.

Also: Busfahren durch Mexiko ist ne coole Sache und zwar wirklich kühl, ca. 18°C, wenn man 10 Stunden von Nord- nach Südyucatan fährt. Mir ist etwas unklar, warum die Busse derartig kalt gemacht werden. Da steigt man ein und muß erstmal ein Sweatshirt mit langer Hose anziehen, Schal ist auch gut. Jeder Schreibtischtäter weiß das. Kommste raus, sofort alles wieder aus, weil die 30-35°C draußen einen sofort wieder völlig fertig machen. Hinter mir saßen welche, die zum Schlafen eine Wolldecke bis über den Kopf gezogen haben. Hatte ich leider nicht 🙁 . Trotzdem angkommen und Palenque ist schön.

Wir brauchen immer erst einmal eine Stunde, bis wir nach der Bus(tor)tour wieder zurechnungsfähig sind. Die Busse fahren manchmal auch wirklich die schönsten Straßen entlang (wer mal in Hamburg an der Kieler Straße spazieren war, hat einen Eindruck), doch wenn wir nach etwas Ausruhen rausgehen, können wir uns wieder auf alles einlassen, sehen all die schönen Seiten und freuen uns sehr übers Hiersein.

Jetzt aber als kleiner Teaser, ein paar Bilder der letzten Tage.

Uxmal und Progreso

Mérida ist eine nette Stadt und sie liegt dummerweise zentral zwischen 1.000 anderen Orten, die man auch alle ankucken kann und möchte. Was mich auf dieser Reise zu der sehr wichtigen Einsicht bringt, daß ich nicht alles sehen werde und kann, was ich gern sehen wollte. Dafür ist es einfach viel zu viel. Stattdessen erfreue ich mich an dem, was ich sehen kann und erlebe. Das gibt mir ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit. Sicher, wir hätten mehr Zeit in Chichén Itzá verbringen können, wenn wir früher oder mit dem Auto gefahren wären. Aber wir haben es erlebt, wie Kukulkán herabgestiegen ist und sind auf dem Großen Ballspielplatz gewesen. Das war schön und ich bin dankbar dafür. Und was kann ich mir mehr wünschen, als glücklich und zufrieden von dieser Reise zurückzukehren?

Und heute fahren wir nach Uxmal (spricht sich ‚Uschmall‘), einer weiteren großen Mayastätte, die ich Uri Ortega von Youtube verdanke. Ich hatte es eigentlich schon abgeschrieben, daß wir dort hinführen, doch Sunja meinte, wenn ich so gern dort hin wolle, fahren wir da hin. Also fahren wir zum Busbahnhof, wo wir uns den Bus dorthin schnappen wollen. Angekommen stelle ich mich an und warte kaum eine halbe Stunde, bis ich letztlich eine Buskarte bekomme, die mit dem Fahrpreis aufgeladen wird. Dann dürfen wir noch zwei Stunden warten, bis der Bus kommt. Also gehen wir raus und kucken ein bißchen in der Stadt rum.

Zunächst laufen wir auf eine kleine Plaza zu, wo Langschwanzamseln und Minitauben umherflattern. Es ist heiß und Lucy und ich gehen in der Sonne rumsitzen, während Sunja versucht, die schnurgerade Straße wiederzufinden, die wir gerade heruntergekommen sind, weil dort ein nettes Kleid in einem Laden rumhing. Schon bei zweiten Versuch findet sie die Straße und wir entspannen noch etwas vom Nichtstun. Doch dann entdecke ich eine kleine Kirche, die ich, neugierig, wie ich bin, betreten will und ich nötige mein Kind, meine Neugier zu teilen.

Drinnen sitzen Menschen und werden gerade bepredigt, was wir natürlich nicht stören wollen, weshalb wir leise an der Seite rumgehen und kucken. Es ist eine helle, kleine Kirche, in der es angenehm kühler ist als draußen und vorn liegt ein Stoß Palmblätter. Ich wundere mich, doch beim Rausgehen bemerke ich, daß ein paar Besucher sich daraus anscheinend Kreuze geflochten haben. Ist ja auch gerade Osterzeit.

Zurück auf der Plaza kommt Sunja zurück und wir wackeln weiter in die Stadt, zum Zócalo (‚ßohkalo‘), wie hier der Rathausplatz heißt, vorbei an der besten Fußgängerampel ever:

Auf dem Zócalo ist gerade Markt und neben dem obligatorischen Ortsnamensschild gibt es dort auch wieder alles Mögliche an Kunsthandwerk, Kleidung, Essen (z.B. gebackene Banane mit Mayonaise sowie Bananenchips für uns), Trinken und, aha, auch gebundene Osterkreuze aus Palmblättern. Ein Mann und eine Frau kommen mit sowas in der Hand vorbei und ich frage, ob ich das mal fotografieren dürfe, in Deutschland gäbe es das nicht (behaupte ich einfach, ohne es wirklich zu wissen). Der so, ja gern. Ich so, vielen Dank, knips, knips.

Dann wird noch ein bißchen nach Schmuck gekuckt bis wir schließlich wieder in Richtung Busbahnhof wandern. Es ist wieder einmal sehr heiß, so ca. 1.000°C, und das mit den Hüten ist zumindest gegen direkte Sonne auf den Kopf schon sehr gut. Beim Bus angekommen, warten wir noch ein wenig und dürfen dann bald einsteigen. Dies ist wieder ein Oriente-Bus und der ist etwas einfacher. Dafür wird auch die Strecke etwas rammelig und rumpelig und wir bekommen viel Landes zu sehen, Urwald und Serpentinen. Zwischendurch gibt es manchmal Haltestellen, für die man vorher zum Fahrer geht, damit er einen auch ja rausläßt. Das mache ich dann lieber rechtzeitig und schwupps, schon sind wir in Uxmal angekommen.

Wir gehen einen langen, menschenleeren dafür leguanreichen Weg entlang und ich freue mich schon, auf was uns wohl erwartet. Dann biegen wir um eine Ecke und kommen auf den großen Parkplatz vor dem Eingang. Uxmal steht dran, wir kaufen Tickets und gehen rein. Das Ticketkaufen ist hier sehr oft zweigeteilt: einmal bezahlt man die INAH, das mexikanische Anthropologie- und Geschichtsinstitut, das andere Mal die Stätte selbst. Sind auch oft zwei Schalter. Nicht wundern, einfach mitmachen.

Wir also rein und schon ist es toll, denn es ist fast menschenleer und wenn, dann Mexikaner, im vollen Kontrast zu den bisherigen Stätten, die täglich mit Touristen überlaufen sind. Neben den wenigen mexikanischen Menschen, laufen hier überall sehr viele mexikanische Leguane rum, die sich auf den Ruinen sehr malerisch ausnehmen.

Der Eingang zum Gelände liegt direkt vor der tollen, großen Pyramide, die mal ganz anders aussieht als die üblichen, eckigen Pyramiden. Sie ist nämlich „rund“. Und wir sofort darauf zu, um vor ihr zu klatschen, wie wir es von Uri Ortega kennen und natürlich antwortet uns auf jedes Klatschen der Quetzal:

Dann geht es weiter rein. Ballspielplatz, Wassersammelkavernen, Tempel hier, Tempel da, alle mit von Spaniern erfundenen Namen: Das Haus der Schildkröten, der Nonnenhof, der Taubenschlag. Liegt aber auch daran, daß viele Maya-Orte schon verlassen waren, als die Spanier kamen. Da hatte es schon zuvor einen großen Exodus gegeben. Man nimmt an, wegen zu starker Entwaldung und Kollapses des Ökosystems. Gibt aber wohl wenige archäologische Belege. Jedenfalls war ganz Yucatán zur Maya-Klassik kräftig bebaut und gerodet.

So vertreiben wir uns den Nachmittag mal in praller Sonne, mal im Schatten sitzend und genießen diesen besonderen Ort, bis wir nicht mehr können und zur Bushalte schlendern. Eigentlich hatten wir noch eine Cenote gesucht, doch die auf Google Maps eingezeichnete, gab es gar nicht. Sonst hätten die Maya damals wohl kaum künstliche Zisternen für Regenwasser angelegt. Naja. Dafür gibt es an der Bushaltestelle noch ein Schokoladenmuseum, das wir flink besuchen gehen. Leider weiß man hier nie so genau, ob der Bus früher oder später kommt, weshalb wir etwas kurzatmig durch das sehr nett gemachte Museum hetzen und zum Schluß sogar noch an einer Verkostung heißer Schokolade teilnehmen dürfen. Ganz anders als unsere, recht herb und gern mit Chili oder Zimt genossen.

Dann aber stürzen wir wieder aus dem Eingang und setzen uns an die Bushaltestelle, wo der Bus natürlich noch eine halbe Stunde nicht kommt. Aber vorher weiß man es hier halt nie. Dort sitzt noch ein Mann, mit dem wir uns nett unterhalten. Der ist auch schon in Europa gewesen, Schweiz, Deutschland besucht, und wir erzählen so von unseren Plänen. Dann kommt der Bus, alle steigen ein und wir rumpeln zurück nach Mérida. Alles geschafft, Tag vorbei, alle müde und zufrieden. Morgen geht’s an den Strand.

Und der Morgen kommt und wir gehen diesmal zu einer anderen Busstation, von der aus ausschließlich nach Progreso, dem Strandstädtchen im Norden von Mérida, gefahren wird. Kostet fast nix (25 Pesos pro Person und Richtung ~1,50€) und die Busse gehen von angenehm gekühlt bis schrammelig, voll und heiß. Dann fahren wir eine Stunde und erreichen den Ort am Meer.

Zunächst laufen wir aus dem falschen Ausgang, finden dann den rechten Pfad wieder, gehen kurz in einen lokalen Innenmarkt, kaufen dort nichts und flanieren weiter in Richtung Strand. Dort begrüßt uns ein kleiner Dino in Effigie und ich muß hier kurz ergänzen, daß sich an diesem Orte vor allerhand Zeit das Schicksal der gesamten Menschheit auf dramatische Weise gewandelt hat. Hier nämlich, schlug vor kaum 65 Millionen Jahren der große Meteorit ein, der den Dinosauriern den Garaus gemacht hat. Seitdem ging es bekanntermaßen rapide bergauf mit der Menschheit.

Doch wir sind des Strandes wegen hier und der Strand ist wahrlich ein Strand. Alles voller Sand, warmem, karibischem, türkisem Wasser und allerhand fliegender Händler mit Melone, Mango und wasnichtallem. So platzieren wir uns gekonnt mittenmang mit Blick aufs Wasser und auf die längste Mole der Welt (ragt 8 Kilometer lang ins Meer und ist Mexikos Stolz). Zuerst gehen Lucy und ich ins Wasser und planschen, dann Sunja mit Lucy und dann schwimmt Sunja mal ein paar hundert Meter zum Training. Währenddessen suche ich um unser Handtuch herum Muscheln, denn einer muß das ja tun. Dabei finde ich ein schönes Bruckstück mit abgerundeten Kanten, das ich als Handschmeichler in die Hosentasche stecke und seither mit mir rumtrage. Dabei fotografiere ich Hasi, wie er das Strandleben genießt.

Doch irgendwann ist genug gebadet und wir machen uns auf den Rückweg gen Mérida, von wo aus wir noch abends den Bus nach Palenque nehmen werden. Also auf zum Busterminal. Die Idee hatten wir aber nicht ganz allein, denn jetzt steht dort eine Schlange von zig Metern Gemensch, die alle auf einen der nächsten Busse warten. Man kann schnell einsteigen, wenn man bereit ist, die Stunde zu stehen oder man muß länger warten, wenn man sitzen will. Wir wollen sitzen und nach nur etwa einer halben Stunde sind auch wir dran und kommen in einen schrammligen Bus, aber Hauptsache wieder los.

Wir fahren zurück, vorbei an den Mangrovensümpfen von Chicxulub, die ich leider irgendwie verpenne zu fotografieren. Weiter gehts, vorbei an allerhand Orten, bis wir wieder in Mérida ankommen. Dort ist es schon dunkel aber unsere Abfahrt dauert immer noch lang genug, daß wir uns noch ein bißchen durch die Innenstadt tummeln. Wichtig ist, den Schokoladenladen Ki’Xocolatl zu finden, for obvious reasons. Den finden wir auch und plündern ihn. Das heißt, wir besorgen Schokoladentafeln, Kakaobutterseife, Trinkschokoladebruck zum Aufgießen und noch dies und das. Ein schöner Laden und wir geben auch nur eine halbe Miliarde Maak aus, viel weniger als befürchtet.

Dann ist alles erledigt und wir machen uns auf den Weg, das Gepäck zu holen und zum Busbahnhof zu kommen. Dabei laufen wir noch etwas durch das nächtliche Mérida und entdecken hübsche und unerwartete Dinge, wie die Plakette zum ersten mexikanischen Feministenkongress von 1916, ein deutsches Kaffeehaus und farbenfrohe Straßen.

Wie schade, daß wir schon gehen müssen.

Mérida

Heute geht es weiter nach Mérida (spricht sich Meehrida, dafür der Akzent). Davon gibt es auch eins in Spanien, doch der Weg wäre nun wirklich zu weit. Wir packen uns langsam ein, ich schreibe noch ein Dankeskärtchen an den Gastgeber, während die Mädels noch einmal den kleinen Pool zum Planschen ausnutzen. Dann scheuche ich sie aber aus dem Wasser, denn, was außer mir noch keiner weiß, haben wir bislang kein Taxi, das uns zum Bus fahren kann und der Weg ist zwar nicht so weit, aber mit Koffern doch immer eher beschwerlich.

Da uns der Gastgeber in dieser Beziehung leider auch nicht helfen kann, laufen wir letztlich aber doch los und können erst an der Hauptstraße eins fangen, das uns dann zur Bushalte bringt. Dummerweise ist das, wie wir nachträglich herausfinden, die falsche, denn da habe ich mich vertan und an der richtigen ist der Bus nu weg. Fäck! Das bemerken wir aber erst, als der große Bus einer anderen Gesellschaft hält und in unsere Richtung fahren will. Und dann geht es los.

[Wir alle vier Koffer rein]. Wo wollt Ihr denn hin? Nach Mérida. Na, das ist die andere Richtung. [Koffer wieder raus]. Aber unser Ticket geht über Valladolid. Na das ist diese Richtung. [Koffer wieder rein]. Aber Ihr habt ja ein ADO-Ticket, das hier ist die Oriente. [Koffer wieder raus]. Die ADO fährt hier ja gar nicht, aber Ihr könnt ja auch hier mitfahren. [Koffer wieder rein].

Wir also letztlich alle in den Bus. Das kostet 150 Pesos. Ich habe aber kaum noch Pesos, nur noch Dollars. Ich, verzweifelt, können Sie das wechseln? Nein, tut mir Leid. Vor meinem inneren Auge sehe ich mich schon wieder diese ganzen Koffer rauszerren, doch da kommt uns ein anderer Busfahrer zuhilfe und wechselt alles freundlich (9 Dollar), damit wir alle endlich weiterkommen. Währenddessen stehe ich schweißtriefend im Bus und entschuldige mich bei den Fahrgästen, die aber gänzlich entspannt auf die Weiterfahrt warten. Dann ist alles geregelt und wir suchen uns einen Sitzplatz, um nach Valladolid zu fahren.

Die Oriente-Busse sind schon deutlich weniger komfortabel als unsere üblichen ADO-Busse (kein Fernseher, alles etwas enger), gekühlt wird aber trotzdem, was das Zeug hält. Und so gurken wir wieder durch die Landschaft, die hier noch wesentlich vom Urwald geprägt ist. Irgendwo liegt eine tote Schlange auf der Straße und am Straßenrand steht auch mal ein Jaguar-Warnschild.

Dann fahren wir ein in Valladolid, doch einfahren ist irgendwie falsch, denn einkriechen paßt besser. Der Fahrer scheint die Gänge nicht mehr reinzubekommen, da das Getriebe allem Anschein nach hin ist. So bleiben wir letztlich mitten auf der Straße liegen und der Fahrer probiert alle paar Minuten, den Bus wieder zum Fahren zu bewegen.

Nach ca. 10 Minuten fruchtloser Versuche werden die ersten unruhig (darunter auch wir) und Vereinzelte steigen sogar aus und gehen zu Fuß weiter. Das halten wir dann auch für ne super Idee (können ja ein Taxi nehmen, denken wir) und wir lassen uns den Kofferraum öffnen (mitten auf der Straße), holen die vier Dinger raus und stellen uns an den Straßenrand. Da steht schon eine Familie aus dem Bus, die anscheinend auch auf ein Taxi wartet. Wir also dazu.

Doch die Einfallstraße scheint ein schlechter Ort zum Taxifangen zu sein, denn erst kommt mal gar keins vorbei und später fahren sie immer an uns vorüber, ohne uns mit dem Hintern anzukucken. Inzwischen schafft es der Busfahrer, den ersten Gang reinzuwürgen und kriecht langsam auf der Straße davon.

Ich spreche die Familie an, die schon mit irgendwem telefoniert haben (auf Maya) und frage sie, ob wir mit denen mitfahren können in die Stadt. Die so, ja klar, wenn Platz genug ist. Doch dann kommt das Taxi, das natürlich zu klein ist. Der Fahrer verspricht aber ein größeres Taxi zu ordern und fährt dann ab. Wir also wieder zurück in den Schatten, wo es auch 30°C heiß ist, aber immerhin schattig.

Lange Zeit passiert wieder nichts, doch jetzt fahren immerhin wieder Taxis vorbei. Irgendwann haben wir aber keine Lust mehr auf Warten und versuchen wieder eins zu fangen. Doch immer noch kein Glück. Nicht mal das tankende Taxi nebenan will uns mitnehmen. Also gehen wir leicht genervt los und rollen in Richtung Innenstadt, als endlich doch noch das versprochene Großtaxi kommt. Für 100 Pesos will er uns fahren und wir alle rein.

Das Gefährt ist ein ziemlich schrammeliger alter Minibus, ungekühlt, dafür aber auch kaum gefedert, voll lustig 🙂 Die Fahrt geht durch enge, vollgestopfte Straßen und als wir ankommen, hält der Mann halb auf der Straße und klaubt unsere Koffer raus.

So, hundert Pesos. Ich so, äh, habe nur noch 50 aber nehmen Sie Dollars? Nein. Ich so: Äh, was jetzt? Er so, gib her, nimmt die 50 und fährt wieder weg.

Einerseits tut es mir Leid, ihm zu wenig zu geben, andererseits empfinde ich es als sehr erfrischend, daß hier die Situation nur als „blöd gelaufen“ abgeschrieben wird und man einfach weitermacht, denn das macht das Leben ja auch. In Deutschland wäre man sicher noch durch 30 Läden getingelt, bis man einen Geldwechsler gefunden hätte. Mexiko ist da so schön lebenspraktisch. Nicht ärgern, weitermachen. Naja, vielleicht ärgert er sich trotzdem, aber er macht halt einfach weiter.

Dann kaufen wir uns ein Billettchen am Schalter, warten etwas und steigen dann in den Bus nach Mérida. Keine vier Stunden Fahrt und schon sind wir da. Nun ist es aber schon spät und trotz UBER-Verfügbarkeit (der Fahrer erklärt, daß man Mangos in allen Reifestadien essen kann), kommen wir erst nach Dunkelheit in unserer neuen, sehr fancyen Bleibe an (mit Mangobaum über der Terrasse!). Wir richten uns noch flink ein, überfallen einen OXXO an der nächsten Ecke und begeben uns dann zur Ruhe. Haben auch so genug für den Tag erlebt.

Der nächste Tag beginnt wieder entspannt, denn alle gönnen sich etwas Ruhe. Während Lucy noch die Grenzen des WLANs austestet, wollen Sunja und ich mal raus, was einholen, Wäsche wegbringen, Kaffee trinken und einfach mal nen Fuß vor die Tür setzen. So machen wir uns mal fix auf, bringen die Wäsche in eine kleine, sehr freundliche Wäscherei und setzen uns dann in das kleine Café schräg gegenüber. Da erreicht uns aber unser Kind und sagt, es habe sich ausgesperrt. Jeminee. Zum Glück alles in geschütztem Raume und sie sei auch schon zum Concierge gewesen, doch keiner habe einen Schlüssel. Der ist ja auch drinnen.

Wir also zurück, unser etwas aufgelöstes Kind trösten und um Eingang ersuchen. Zum Glück sitzen wir nicht lang vor der Tür, denn es kommt schon bald der Inhaber/Geschäftsführer/Whatever des Gebäudekomplexes und öffnet die Tür per digitalem Türcode. Puh, Glück gehabt. Sonst hätten wir über die Mauer auf die Terrasse klettern müssen und Hasi hätte die ganze Zeit dort allein gesessen.

Nun sind alle wieder beruhigt und Sunja und ich gehen wieder aus, die große weite Welt erkunden. Sie will einkaufen, ich beschließe, ins Gran Museo del Mundo Maya zu fahren. Da will sonst sicher niemand mitgehen, also mach ich das mal allein.

Die Fahrt dauert schon ein bißchen, denn das Museum liegt etwas weiter raus. Ich schwätze, wie immer mit dem Fahrer und wir sprechen über die Auswirkungen der Pandemie hier und da, weil hier immer noch häufig Masken im Einsatz sind. Seien auch viele Menschen hier gestorben, sagt er. Schlimm, schlimm! Ein Glück, daß das vorbei sei.

Dann sind wir da und ich stehe vor dem großen, modernen Gebäude. Davor stehen Bäume, an denen Gurken wachsen. Sind aber gar keine, denn wenn sie aufgehen, kommt da sowas wie Baumwolle raus. Voll witzig. Im Gebäude geht dann alles um die Kultur der Maya. Spannenderweise fängt es mit der Zeit nach der Unterwerfung durch die Spanier an bis in die Gegenwart. Finde ich gut, denn damit verdeutlichen sie, daß die Maya nicht alle tot und long, long gone sind, sondern deren Nachfahren und ihre Traditionen bis heute weiterleben. Da paßt es auch sehr gut, daß alle Beschriftungen in drei Sprachen (Spanisch, Englisch, Maya) zu lesen sind. Im zweiten Teil geht es dann um die vorspanische Hochkultur, deren Ausbreitung und Errungenschaften. Und da gibt es natürlich genausoviel zu sehen.

Ausgestellt sind vielerlei Artefakte von Schmuck, Keramik und Werkzeugen bis hin zu ganzen Tempelfassaden und alten Codices, also quasi Bücher. Die hatten die Spanier ja fast alle verbrannt und es ist ein Glück, daß wenigstens einige sehr wenige erhalten geblieben sind.

Und mittdendrin steht dann ein Terminal, an dem man sich sein persönliches Maya-Horoskop mitsamt Maya-Kalenderdaten erstellen kann. Das mache ich natürlich sofort für die ganze Familie, damit die auch was von meinem Besuche haben. Für mich kommt dabei heraus, daß ich klug, analytisch und großzügig bin und mein Geschick selbst bestimme. Finde ich natürlich super und glaube ich sofort.

Die Ausstellung zeigt dann noch ein paar Dinge zu technischen Leistungen der alten Maya wie Pyramidenbau ohne Rad oder Transportmittel, Wasserspeicherung in künstlichen unterirdischen Kavernen und natürlich die Erfindung der Zahl Null, was in Europa erst viel später passierte. Hinzu kommen die beachtlichen astronomischen Kenntnisse und deren Verbauung in die sakrale Architektur, wodurch Sonnenwenden, Tag- und Nachtgleichen und noch weitere wichtige Daten präzise vorausberechnet sowie u.a. die Pyramiden danach ausgerichtet wurden (wie in Chichén Itzá gesehen). Schon dolle!

Dann aber ist der Rundgang zu Ende und ich trete wieder vor die Tür. Da ist es wieder heiß und hell und ich beschließe, den Rückweg zu Fuß anzutreten. Sind ja nur so 5-6 Kilometer. Allerdings hat die hiesige Gegend einen Charme, der vergleichbar mit der Kieler Straße in Hamburg ist, also eher wenig. Egal, auch das muß erlebt sein. Und so mache ich mich auf und latsche und latsche und latsche, bis ich dann zu Haus bin.

Wieder „daheim“ werde ich begrüßt und Lucy will jetzt auch mal vor die Tür, auch im großen Supermarkt Kram ankucken und Zeugs kaufen. Zu essen kann man ja auch nie genug haben, hihihi. Also gehen wir noch einmal raus, schnappen uns am Eingang einen Einkaufswagen und fahren die Rolltreppe damit rauf.

Auch dieser Laden erinnert an die französischen Hyper Marchés oder die Metro in Deutschland, in denen man einen ganzen Tag verbringen kann. Zuerst gibts allerhand Klamotten, von denen wir aber nichts wollen, obwohl es auch Unterhosen gibt, die fast so heißen wie ich und dann doch wieder gar nicht (nicht Rikl sondern Rlkl). Dann gehts weiter zu Obst und Gemüse, wo es lauter Früchte gibt, die keiner kennt. Naja, also wir kennen sie halt nicht. Unter anderem eßbarer Kaktus und eine Frucht Namens Mamey. Letztere hat orangenes Fruchtfleisch und ich nehme mir vor, jedesmal eine andere neue Frucht zu probieren. Heute ist es Chayote, die sich als gute Reisefrucht herausstellt: fest, nicht klebrig und schmeckt nach Gurkenbirne. Dann schlendern wir gemütlich am Eisregal entlang, wo noch Eis gekauft werden muß, denn wir sind in Mexiko und es ist heiß.

Dann gehen wir, gemütlich Eis schleckend wieder nach Hause. Heute ist Earth Hour und zwar überall, doch ich finde im Internetz keinerlei Veranstaltung dazu, also bleiben wir schlicht zu Haus und gammeln uns in den Abend hinein. Auch mal sehr gut, denn erleben tun wir dieser Tage wirklich genug.

Chichén Itzá, Kukulkán steigt herab

Wie berichtet, schaffen wir es, mitten in der Nacht aufzustehen und Tulums Mayastätte zu besuchen, um daraufhin den Bus nach Chichén Itzá zu fangen. Terminhektik macht mich immer fertig, wenn bis zum Termin allerhand diffuse Dinge stattgefunden haben müssen, die man nur so vage fassen kann. „Gepackt haben“ ist so eine Sache, denn bis zur Abfahrt, bleibt der Koffer in der Regel unfertig, weil irgendein Ding, z.B. die Zahnbürste, noch da rein soll. Ist dann der Termin, in unserem Fall die Busbesteigung, geschafft, setzt endlich wieder Ruhe ein.

Aber es klappt alles: Packen geht, sogar mit etwas Frühstückszeit für mein geliebtes Töchterlein; zu den Ruinas fahren lassen, Ruinas fix ankucken, Feststellen, daß der kleine Strand ‚Playita de las Tortugas‘ wegen Tortugaschutzes leider unbegehbar ist, Taxi nach Hause und Koffer holen und zum Bus und dort sogar noch flink nebenan was trinken und essen.

In unserem Fall ist die rechtzeitige Buserreichung ziemlich wichtig, denn wir wollen nach Chichén Itzá, einer der bekanntesten Mayastätten Mexikos und Weltkulturerbe und alles, denn heute ist Frühjahrs-Tag-und-Nachtgleiche und an diesem Tage findet dort ein besonderes Schattenspiel statt.

Wenn ich jetzt Schattenspiel sage, so ist das leicht tiefgestapelt, denn es handelt sich um eine architektonische Glanzleistung der damaligen Bauherren. Jedes Jahr zu den zwei Tag-und-Nachtgleichen fällt der Schatten der Stufenpyramide genau so auf eine der Treppen, daß die Sonne gezackt auf den Stein fällt, was dann so aussieht, als liege eine weiße Schlange auf der Treppe. Sie kommt im Frühjahr herab und im Herbst steigt sie wieder hinauf. Diese Schlange symbolisiert Kukulkán, die gefiederte weiße Schlange, die Leben und Fruchtbarkeit auf die Erde bringt.

Diese Federschlange ist ein wiederkehrendes Gottwesen, das es in ganz Mesoamerika gibt. Bei den Atzteken nannte man sie Quetzalcoatl (von ‚Quetzal‘, dem bunten Vogel und ‚Coatl‘, nahuatl für Schlange), was vielleicht schon mal wer gehört hat. Hier, wie gesagt, Kukulkán und seine Ankunft ist Grund für reichlichen Menschenauflauf in weißer Kleidung, die sich von ihm fürs Jahr mit Energie aufladen lassen wollen. Wir natürlich auch.

Dazu mußten wir uns in Hamburg noch eilig ein paar weiße Klamotten besorgen, denn ich zum Beispiel, besaß vorher keine weiße Hose und nur obenrum weiß, ist ja nix. Jetzt aber haben wir weiße Hemdchen, weiße Hosen und nachher sogar noch weiße Hüte.

Doch bevor all diese Kleidungsstücke zum Einsatz kommen, müssen wir erst einmal heil dort ankommen. Unser Bus erreicht Chichén Itzá, doch die Haltestelle ist genau vor der Mayastätte und wir hocken noch auf unseren vier Koffern. Die will natürlich niemand mit da rein nehmen, unsere Unterkunft ist jedoch noch zwei Kilometer entfernt. Nach kurzer Sorge, Kukulkán zu verpassen, fangen wir uns kurzerhand einmal ein Taxi, das uns fix zu unserer Bude des Tages fährt.

Hier, weiter weg von der Riviera Maya und ihren Touristenmassen, kosten Taxis auch plötzlich wieder realistisches Geld, was mir wieder einmal zeigt, daß Touristengebiete keine rechtschaffenen Orte sind.

Angekommen, werden wir von Rosaldo, dem Einweiser des Hauses, eingewiesen. Der erzählt mir, daß auf der Halbinsel Yukatan noch sehr viel Maya gesprochen wird und daß viele Maya in den Dörfern mit der Sprache der Gegend aufwachsen und erst in der Schule Spanisch lernen. Sein Vater, sagt er, könne bis heute nicht schreiben und spreche Spanisch nur für den alltäglichen Gebrauch.

Hierbei ist anzumerken, daß in Mexiko ca. 65 Sprachen heimisch sind, die meisten davon indigenen Ursprungs, darunter so hübsch klingende wie Nahuatl, Chol, Otomí, Tzotzil oder Mazahua. Keine davon ist mit Europäischen Sprachen verwandt oder zu verstehen und wenn man als Ausländer sich bei einem Einheimischen in dessen Sprache bedankt (Maya: Yo’ombutik‘), hat man bei ihm sofort einen Stein im Brett. Rosaldo versucht mir flink ein paar Wörter beizubringen, doch so sehr ich mich mühe und sie nachspreche, vergesse ich sie doch sehr schnell wieder. Schade, schade!

Mittlerweile sind alle umgezogen und wir chillen noch eine kurze Weile, bevor wir uns zu Fuß auf den Weg machen. Ist ja nicht weit, nur 1 1/2 Kilometer, was uns nicht schadet. So kommen wir außerdem an all den vielen Ständen vorbei, an denen jede Menge Dekoschnickschnack und allerlei Zeug verkauft wird. Wir kaufen ein, zwei Essensdinge (etwas, das klingt wie Kiwi und ähnlich aussieht, aber etwas gebratenes ist) damit niemand hangry sein muß. So gestärkt laufen wir weiter, vorbei an den Jaguarpfeifen und den vielen bunten Huipiles (hübsch bestickte Oberteile).

Nun geht es hinein. Zum Glück war mir noch eingefallen, daß ich besser online Tickets kaufe, um nicht zu spät reinzukommen (hier steht man gern mal länger an). Kukulkán aus sorglosigkeit zu verpassen, wäre für uns vorausschauende Deutsche ja auch arg peinlich gewesen.

Wir finden also den Eingang für Frühbucher und lassen uns einschleusen. Es erfolgt eine kurze Sicherheitskontrolle (nichts schlimmes im Rucksack), dann dürfen wir rein. Drinnen befinden sich noch einmal so viele Händler wie vor der Tür und jeder hat die obligatorische Jaguarpfeife, oder besser -fauche. Sie soll so klingen wie ein Jaguarfauchen und es klingt von überallher etwas nervig durch die Gegend. Dafür sind wir aber nicht hier, sondern für die Ruinenstätte und die ist wirklich beeindruckend.

Der Platz wird ganz klar von der großen Pyramide dominiert, die kolossal im Zentrum in den Himmel ragt. Ringsherum stehen weitere Gebäude, wie der Tempel der 1.000 Säulen und das Große Ballspiel. Das gehen wir auch gleich besuchen.

Chichén Itzá hatte seinerzeit das größte Spielfeld dieserArt in ganz Mesoamerika und noch heute schindet das ordentlich Eindruck. Neben der monumentalen Bauweise, der Dekoration mit erzählenden Relieffen und steinernen Schlangen, beeindruckt auch die Akkustik den Besucher. Egal wo man steht, verfügt der Platz über ein phantastisches Echo. Quer ist es leicht zu hören, doch selbst über die Länge des Platzes, kommt der Schall zuverlässig nach ca. einer Sekunde zu einem zurück. Der kundige Leser merkt: eine Sekunde Schallgeschwindigkeit =330 Meter, Weg hin und zurück ca. eine Sekunde, Spielfeldlänge offenbar um die 150 Meter. Auch diese Arena hat kolossale Ausmaße. War man wohl sich und den Göttern schuldig.

Wir gehen weiter und kucken uns dies und das an, bevor wir, zur Rechten Zeit, unser deutsches Erbe nicht verleugnen und unser Handtuch auf die Strandliege werfen, sprich: wir schlagen unser Lager direkt vor der wichtigen Treppe der Pyramide auf, um später die beste Sicht auf Kukulkán zu haben. Und während Lucy und Sunja schon einmal Wache sitzen, darf ich noch einmal zum Tempel der 1.000 Säulen schlendern.

Ich laufe hin, staune, mache ein paar Bilder, belehre ein paar Amerikaner zu irgendwas und komme dann wieder zurück. Bin einfach zu aufgeregt und vielleicht will ja eins der Meedels auch noch mal los. Will aber keiner und jetzt liegt da auch eine Leine, die besagt, daß man nur bis dahin sitzen oder stehen soll. Davor stehen dann später die Kulturhüter und wachen auf Einhaltung . Wir sitzen derweil rechtens und können gut sehen. Alles chic.

Langsam füllt sich auch der Platz und es wird enger, doch im Stehen geht noch alles. Lucy möchte gern ein Zeitraffervideo machen, doch es wird ihr verwehrt, denn nirgends kann man das Handy straflos aufstellen. Schade. Aber das Erleben ist, was zählt. Wem nützt es, wenn das Handy von Kukulkán fürs Jahr mit Energie aufgeladen wird… moment, das könnte natürlich praktisch sein. Naja, geht halt nicht.

Vorn steht ein alter Sack, der alle anderen als Kommunisten beschimpft, weil er gern allein ganz vorne stehen will, um das Spektakel zu erleben. Dafür nimmt er leider allen ‚Kommunisten‘ die Sicht und entlarvt sich selbst als 1a Arschgeige. Vieles Rufen, er möge sich doch setzen, nützt nichts und er macht erst, unter dem Gejohle der Menge, Platz, als die Kulturhüter kommen und ihn fortschicken. Insgesamt ist die Stimmung aber freundlich, auch wenn sporadische Aufsteher und Durchs-Bild-Latscher aus dem Weg gebuht werden.

Mittlerweile ist auch die Sonne am Werk und wirft Schatten auf die Treppe, kurz unterbrochen durch leichtes Gewölk. Und nach und nach schärft sich das Bild der Gottheit auf dem Stein. Alle sind aufgeregt und glücklich und nach langem Warten ist es soweit und die gezackte Schlange ziert die Nordtreppe der großen Stufenpyramide. Ein Mädchen hinter uns steht auf und reckt die Arme schräg in die Luft und wir tun es ihr gleich. Dafür sind wir ja alle hier, um an diesem besonderen Tage Kraft zu tanken.

Mit dem warmen Wissen, jetzt Kraft und Glück fürs Jahr mitzunehmen, machen sich nach und nach die meisten auf und der Platz leert sich zusehends. Auch wir stehen auf und stecken die Decke wieder ein. Über das ganze Gelände dürfen wir nicht mehr laufen, denn nun ist Ladenschluß und die Wärter nutzen jetzt die Sitzleine dazu, die Touristen im Zaum zu halten. Also schlendern wir in Richtung Ausgang noch so viel über die Anlage, wie es eben geht.

Dabei wünscht sich und bekommt Lucy noch eine Halskette mit Bergkristall, wir alle hingegen bekommen gekühlte Getränke und dann geht es wieder hinaus, zurück zu unserer Bude, nach Pisté. Auf dem Weg dahin sehen wir noch die Karawane der Händler, die jetzt alle Waren auf Schiebewagen verfrachtet haben und auf eine großen Parkplatz bringen. Dann suchen wir noch den örtlichen OXXO heim und plumpsen zufrieden in unsere Betten.

Wir sind aufgeladen von Kukulkán, das Jahr kann kommen!