In Tulum und um Tulum herum

(Wer Ulm kennt, versteht, warum ich nicht um diesen Wortklangwitz herumkomme…)

So, heute geht’s weiter. Next stop Tulum. Habe Bustickets bei ADO gebucht, UBER funktioniert (zumindest im WLAN des Hauses) und Sachen und Essen sind gepackt.

Dies wird unsere erste Fahrt mit dem Überlandbus sein und ich bin so aufgeregt, wie der erste Mensch kurz nach der Erfindung des Feuers. Wie benutzt man einen Bus? Was muß ich tun? Wo müssen wir hin? Kommen wir rechtzeitig? Aber alles klappt. Der UBER-Mann holt uns ab und bringt uns zum Busterminal in der Stadt.

Dann wird unsere Fahrt ausgerufen und wir dürfen vortreten. Ich zeige brav unsere Tickets und unser Gepäck kommt unten in den Busbauch. Oben drin ist es kalt. Alle Verkehrsmittel müssen hier anscheinend auf -1.000°C gekühlt werden, ums irgendwem zu zeigen. Doch wir sind vorbereitet und ziehen unsere Pullis an.

Und dann geht es los, raus aus der Stadt auf die Autobahn, vorbei an etlichen riesigen Werbeschildern für Ferienparks, Immobilien oder die Kandidaten der Präsidentschaftswahl am 2.Juni. Mal sehen, wer’s macht. Wir fahren auch an einem Schild des „Sargapark“ vorbei, was meine Aufmerksamkeit erregt, denn ich habe gelesen, daß Sargassum, eine Art Rotalge, zu einer Pest geworden ist und tonnenweise hier an den Strand gespült wird, wo es dann stinkend verrottet. Sargapark wird jetzt in Kooperation mit der Uni München eine Anlage, wo das Sargassum zu Heizmittel verarbeitet werden soll. Super! Besser das als Petroleum, denke ich mir. Außerdem steht da noch irgendwo ein einsames Windrad und ich denke mir, na kuck, ist hier auch angekommen.

Dann kommt noch eine Werbung, auf der ein Jaguar dadurch rennt, daß man daran vorbeifährt. Cooler Effekt irgendwie. Keine Ahnung, wofür die Werbung war, hahaha.

Was aber auch stark auffällt, ist der Müll und die vielen verlassenen Hotels am Wegesrand. Schon in Cancún fiel es mir auf, daß Autos, Boote oder Gebäude einfach zurückgelassen werden und sich keiner mehr kümmert. Augenfälliger ist aber der allgegenwärtige Müll am Straßenrand, vor allem Flaschen und Einwegbecher, die einem allerorten hinterhergeworfen werden. Da sehe ich dann schon großen Sinn im Einwegpfand, wenn es denn schon Einwegdinge gibt.

Angekommen in Tulum, gibt es erst einmal keine UBERs und wir heuern ein Taxi, das uns für 1.000 Maak zur Bleibe bringt. Wegen all der Touristen ist die Riviera Maya ein teures Pflaster. Das merkt man unter anderem an den Taxis und natürlich den Eintrittspreisen. Weiter im Land wird das sicher anders werden.

Unsere Unterkunft ist sehr warm und die Luft steht und will nicht abkühlen. Da hilft wieder nur die Klimaanlage und Türen zu. Ansonsten gibt es das wesentliche, was man so braucht: Küche, Tisch, Sofa, Bett, Badezimmer. Drum hängen wir erst einmal dort ab, bis uns etwas fehlt und wir zum nächsten Supermarkt gehen. Lucy chillt lieber noch weiter und so machen wir uns zu zweit auf den Weg durch die mexikanische Wildnis. Diese entpuppt sich als eine Siedlung am Rande der Stadt, die noch von einer Tankstelle vom SuperAkí getrennt ist. Letzter ist sehr international besucht und wir besorgen eine Tonne Zeug und 5 Liter Wasser, was man hier halt so tut. Dann zurück zum Heim und kochen.

Lucy schafft es leider nicht mehr mitzuessen und pennt einfach ein, bevor gekocht ist, also tun wir, was wir können, um für den nächsten Tag gestärkt zu sein.

Der Tag soll so aussehen:
Zuerst ein bißchen Stadt ankucken, dann die Ruinas der Mayas besuchen, dann noch in eine Cenote hüpfen und Wasser genießen.

Doch der Tag haut büxt uns irgendwie aus und wir kommen erst recht spät los, um die Stadt zu entdecken. Die erweist sich dann als überraschend nett und so kommen wir erst spät auf den Trichter zur Cenote zu fahren. Naja, und dann fallen wir auf den Taxifahrer rein, der uns eine andere Stelle vorschlägt, für die er offensichtlich Provision bekommt. Wie dem auch sei, wir fahren also zur Casa Tortugas, einer Stelle, an der vier Cenotes zu sehen sind. Und auch, wenn das zusammen sehr teuer wird, da man dann den Spind mieten und die Handyhülle kaufen muß, sind wir am Ende sehr glücklich mit diesem Besuch. Der endet übrigens mit einer riesen Seilbahn, die in 25 Meter Höhe über ca. 200 Meter Urwald fährt. Sehr cool und aufregend, vor allem für die tapfere, eigentlich höhenängstige Sunja.

Man stelle sich eine Cenote als wassergefüllte Höhle vor, die einen Eingang hat, durch den man eintritt. Manchen Cenotes ist die Decke weggebrochen, weshalb sie ganz offen sind, doch eine dieser vier ist 30-40m tief, glasklar und völlig höhlig. Irre, darin mit Schnorchbrille zu paddeln, wenn ein Sonnenschein von außen bis auf den Grund scheint. Auch ein bißchen gruselig.

So kommen wir aber erst spät wieder in die City und verlustieren uns einfach dort.

Das Tourizentrum der Stadt ist eine lange Straße mit vielen bunten Läden und Restaurants. Alles sehr nett, alles sehr touristisch. Auf der Suche nach einem Schreibheft, werden wir in eine Nebenstraße verschlagen, wo wir es auch sehr nett entdecken, dafür aber ohne Touristen. Das Eis ist sofort um 3.000% billiger.

Natürlich verbraten wir dann noch allerhand Geld in Schnickschnack (ich schon am Nachmittag einen Hut gekauft) und trollen uns endlich wieder nach Hause zum Packen, denn morgen muß es früh zu den Ruinas gehen und dann rüber nach Chichén Itzá, der weltberühmten Mayastätte von Yucatán.

Und siehe da, wir schaffen es in der Tat, früh aufzustehen und zu den Ruinas von Tulum zu fahren. Noch keine Reisegruppen, dafür die Guardia Nacional, die Plastikflaschen verbietet und das Gelände bewacht. Und das macht sich bezahlt, denn weder auf dem Weg dahin, noch bei den Ruinen selbst, liegt Müll herum. Besonders dort ist das sehr schön. Außerdem laufen und klettern auf dem Areal allerhand Leguane rum, was sich auch sehr malerisch macht.

Ja, und auch die Uhrzeit zahlt sich aus, denn das Gelände ist jetzt noch sehr leer. Leider haben wir heute nicht viel Zeit, da wir den nächsten Bus kriegen müssen. Je nun, immerhin sind wir hier und sehen diese schöne Anlage. Aus reiner Verzweiflung fotografiere ich die Erklärungsschilder, damit ich wenigstens nachher herausbekomme, was jetzt was ist.

Und dann machen wir uns schon auf den Weg zurück, gegen den jetzt einfallenden Strom von Reisegruppen.

Entdeckungen machen, Cancún die Zweite

In der Tat gelingt es, nach der Ruhepause wieder vor die Tür zu kommen. Wir tingeln über die Straße zum Strand, der sich als der lokale Familienstrand (Playa del niño) entpuppt, was sich als supernett erweist. Quasi keine Touristen, lauter Einheimische mit ihren Kindern. Die Mexikaner sitzen unter den festinstallierten oder mitgebrachten Sonnenschirmen, während wir Anfänger uns voll in die Sonne knallen.

Das Wasser ist lauwarm, sodaß man einfach reinlaufen kann, ohne sich langwierig einzugewöhnen. Ich versuche mit Schnorchelmaske Fischchen zu sehen, doch da geht nix. Keine Fische und keine Sicht. Stattdessen schnacken uns drei Jungs auf einem Schwimmdings an, fragen mich, ob ich Messi oder Ronaldo besser finde und einer findet anscheinend Lucy nett (hihi, sie so: „voll cringe, ey“). Dann fragen sie mich, ob ich dies oder das Essen kenne und ob ich auch scharf essen könne (müssen dabei lachen), erzählen aber auch von verschiedenem Essenszeug, das ich leider sofort wieder vergesse.

Dann gehen wir wieder aus dem Wasser und lassen mal Sunja ihre 200 Meter schwimmen. Solange sitzen wir rum und kucken in die Gegend. Da sind diverse Kinder dabei, Algenzeug zum Abdichten einer Sandburg zu verbauen, während andere Wasser reingießen, das jetzt natürlich viel länger drinnen bleibt. Voll gut! Andere treten Sandhüte wieder platt, während weitere sich irgendwas gestoßen haben und getröstet werden müssen.

Dann kommt Sunja raus und Lucy und ich gehen schon mal rüber und duschen uns ab, denn wir sind nun abgefüttert und können wieder aus der Sonne. Sunja kommt aber auch bald nach und wir machen uns alle bereit, den ersten echten Supermarkt heimzusuchen.

Der „Super Akí“ ist ca. 2,7km weit weg, was bei noch immer ca. 30°C und nach viel Tag eine kleine Herausforderung ist. Aber wir machen uns tapfer auf den Weg und gehen allerhand häßliche Straße entlang, vorbei an witzigen Schlaglochsicherungen und zwei Katzen, bis wir endlich davor stehen.

Vornean wirkt das Sortiment ein bißchen wie aus DDR-Zeiten, wie ich sie mir vorstelle: Klotzseife und Großmengen Reinigungsmittel für Wäsche und Haushalt und eine Fleischauslage, die auf den ersten Blick nach mageren Zeiten aussieht. Doch der Schein täuscht und wir finden viele tolle Dinge wie Flex-Butter oder „Catsup“ Tomatensauce (für Pommes und so) sowie El Yucateco scharfe Sauce. Und anders als in den diversen OXXOs, die wir schon kennen, treiben sich hier auch endlich Einheimische rum, sogar vor dem Tresen.

Beladen mit 12 tonnen Beute, machen wir uns wieder zurück auf den Weg nach Hause, vorei an einem kleinen Stück Grün, aus dem, offensichtlich aus dem Hinterhalt, einige Mücken ihr Glück an Sunja suchen und finden. Das Dumme an denen ist: man bemerkt sie kaum und sie pieken. Das Gute an ihnen ist: ihr Gejucke geht ziemlich schnell vorbei, weil sie so klein sind.

Zu Hause wird nur schnell noch das nötigste gegessen und dann gehen alle völlig gerädert ins Bett. Sunja hält rauchend auf der Terrasse noch als Letzte die Fahne hoch, bevor auch sie ins Bett kippt.

Am nächsten Morgen wachen wir wieder vor der Uhr auf und kucken den Sonnenaufgang am Horizont an. Dann gehen Sunja und ich joggen, was zu dieser Tageszeit noch nahezu erträglich, wenn auch nicht ertragreich ist. Der Weg führt uns dabei nach Norden, von der Stadt weg und in Richtung von El Meco, der Ruinenstätte, die ich gestern nicht mehr gesehen habe. Macht auch nichts, denn die ist gerade eh gesperrt, wie wir im Vorbeilaufen sehen, da dort was gearbeitet wird. Und doch sieht man die kleine Pyramide von der Straße aus und wir sind froh, unsere erste Mayastätte zu sehen (Mist, keine Kamera dabei).

Dann ist es mir schon zu warm und ich bitte um Nachsicht, daß wir doch umkehren möchten. Sunja hat Mitleid (jaja, diese hitzeresistenten Asiatinnen…) und nach 2,5km drehen wir um. Doch da mir nach einer weiteren Weile der Kopf zu platzen droht und ich nicht ohne nach Hause kommen will, läuft sie die letzten 500m dann ohne mich zu Ende. Ich dagegen, gehe am Strand vorbei und komme auf eine der besten Ideen der letzten 30 Jahre Menschheitsgeschichte: ich werfe mich einfach (ohne Schuhe) ins Wasser und genieße das lauwarme, karibische Meer. Herrlich!

Ich komme aus dem Wasser und tropfe gerade glücklich über die Straße als Sunja mir entgegen kommt, offenbar mit derselben Idee. Und während sie baden geht, gehe ich duschen, um mich auf die heute anstehende Fahrt nach Tulum vorzubereiten.

¡México!

Diese Anreise hatte alles: entspanntes Losfahren, Unklarheiten mit Stress am Flughafen, aufgeregte Reiseleiter (ich), nervige Sitznachbarn von hinten (Fremde), Handyprobleme am Flughafen Cancún (110,-€ Roaming…), viel zu viel Geld abgehoben (Dollar statt Pesos), teures Taxi wegen nichtvorhandenem UBER (wieder 100,-$) und dann endlich um 22.30 statt 21.00 Uhr angekommen. Und doch waren wir froh, zufrieden und glücklich.

Kann es noch immer nicht ganz fassen, daß wir so weit weg von zu Haus sind und daß es einfach so entspannt läuft bei so vielen anfänglichen Pannen. Das ist ein sehr gutes Omen 🙂

Heute sind wir mit Sonnenaufgang auf der Terrasse begrüßt worden und von Pelikanen, Fregattvögeln und „Langschwanzamseln“ mit hübschen gelbrandigen Augen. Die heißen in echt „Großschwanzgrackel„, wo wir mit unserer Benennung voll falsch lagen, aber dann auch halt wieder nicht so dolle, hahaha. Hübsche Tiere.

Gegenüber ist der öffentliche Strand. Da haben wir schon die Füße ins Wasser gehalten und sind dann die lange Straße runtergerannt, um Wasser und SIM-Karten zu kaufen. Dafür sind wir in drei OXXOs gerannt und haben uns dumm und dämlich gekauft. Wenn man nämlich woanders ist und anderes Zeug sieht, muß man ja leider alles ausprobieren.

Jetzt haben wir also fade Maiskräcker, zwei flaschen schlimme isotonische Getränke, heimisches Bier, Wasser, Klopapier, 3 SIM-Karten à 6GB für 30 Tage, ein kleines Kostenbüchlein zum Teilen, Skittles und noch so dies und das. Zuerst haben wir unser Drittgebohrenes als Entgelt versprochen, was natürlich aufgeflogen ist und wir deshalb doch normal bezahlt haben.

Auf der Straße gab es aber zum Glück auch noch was zu Essen: Carnitas a la manera de Xochimilco. Und da wir in CDMX auch nach Xochimilco wollen, war das für die zwei Carnitas-Esserinnen ein guter Einstand. Ist auch lecker und so kann es, wieder frisch gestärkt, weiter gehen. Jetzt wird erst mal geruht, um später wieder nach draußen zu gehen. Ich will versuchen, El Meco anzukucken und wir werden auf jeden Fall die Karibische See bebaden. Morgen geht es dann ja zur ersten nächsten Station nach Tulum. Dazu fangen wir uns den Bus in der Stadt (wohin uns auch ein UBER samt Koffern fährt).

Und Los!

Erster Tag der Ferien und ich bin um sechs Uhr wach… ohne Wecker… wohl etwas aufgeregt 🙂

Gestern war ich noch einmal los und habe kleine Gastgeschenke besorgt, da wir ja zumeist bei Airb’n’B untergebracht sind, also einfach bei Menschen. Da dachte ich, es wäre nett, was mitzubringen. Hab bestimmt 1.000 Maak ausgegeben, aber macht nichts. Sind Ferien, da verbrät man eh mehr, als man im wirklichen Leben ausgeben würde. Moment mal, was heißt hier „im wirklichen Leben“? Sind Ferien nicht eigentlich das bessere Leben? Oh ha, philosophische Frage… Na, dann sagen wir, man gibt da mehr aus, als im normalen Leben.

Jedenfalls habe ich nach besonders Hamburgischem Zeug gesucht und kam dann mit diesem Berg Sachen an:

Eine Kiste Astra stand auch zur Disposition, doch ich ließ davon ab, da ich damit wohl sehr nah an die 20 Kilo Koffergepäck rangekommen wäre. Und dann stell Dir das vor, kommste in Mexiko an, alle Flaschen im Kofferraum geplatzt und dann stehste da mit Deinem Talent aber ohne Unterhosen… will ja keiner. Also lieber etwas netten Schnickschnack.

Und jetzt ist es also soweit. Ich kann das noch kaum glauben, denn schließlich warte ich seit 1 1/2 Jahren darauf. Da gewöhnt man sich so daran, daß es immer noch so lang hin ist. Doch jetzt geht es los und es ist halb acht am Samstag und ich will endlich einchecken für morgen Mittag aber Sunja pennt noch (verdient) und ich brauche doch von ihr noch Lucys Passnummer und dann wollen wir ja alle zusammensitzen und es ist einfach ein Elend und ich bin so aufgeregt. Merkt man bestimmt auch gar nicht…

Na gut, dann halt irgendwas packen. Oder noch ne Hose waschen. Oder zum 1.000stenmal die Reiseroute überlegen. Oder… warum ist denn zu dieser nachstschlafenden Zeit am Wochenende auch noch keiner wach? Immer ist man allein mit seiner Aufregung, es ist ein Elend.

The Climate Fresk

Wir fahren nach Frankfurt zum Workshop. Yeah! Habe ich angeleiert und freue mich wie ein Schnitzel. Das Climate Fresk ist ein Format, das ursprünglich aus Frankreich kommt (dort genannt Le Fresque du Climat) und ist eine Art Planspiel-Workshop, bei dem die Teilnehmer Infokarten aller bekannten Aspekte des Klimawandels in eine Ursache-Wirkung-Reihenfolge legen sollen. Dadurch bekommt man „hands-on“ einen Überblick über das Große Ganze des umfangreichen Komplexes Klimawandel.

Da auch heute noch die allermeisten Menschen keine rechte Vorstellung haben, was alles dazu gehört, können sie sich auch überhaupt nicht adäquat verhalten. Den meisten ist bekannt, daß es wohl öfter stürmen wird und auch mal mehr regnen, aber damit endet auch das gefühlte Wissen. Dies ändert das Climate Fresk, denn man bekommt einmal alles um die Ohren. Das kann den Einzelnen natürlich ordentlich überfordern, aber dann hat man noch die zweite Hälfte des Workshops, die einem dann nahelegt, daß man persönlich, in der Gemeinschaft und als Organisation noch sehr viel tun kann, um allerschlimmsteres abzuwenden oder zumindest abzumildern.

Dahin machen wir uns gerade auf. Diesmal fährt der Zug und trotz Streikes von gestern auf heute, läuft alles erstaunlich glatt und der ICE, der drei Minuten nach Abfahrt gleich auf der Strecke wartete, ist inzwischen schon ein paarmal vorzeitig unterwegs (!). Wir werden also rechtzeitig ankommen.

Und in der Tat, alles geht glatt. Zug kommt an, wir wackeln los, essen noch fix was mit den anderen und dann geht es auch schon los. Von den 14 Eingeladenen sind 13 da (!), einer ist leider krank. Erst sehr kurze Vorstellungsrunde und jeder hält sich an die erbetene Kürze. Feine Gruppe. Darauf bekommen wir alle ein Zettelchen, auf dem wir eine Sache aufschreiben sollen, die uns Glücklich macht. Ich schreibe „Blaumeisen“ und das stimmt.

Dann geht es auch gleich tatenreich weiter, denn wir werden, in zwei Gruppen getrennt, an zwei Tische gestellt und sollen die erste Runde Karten arrangieren. Dabei wird um die eine oder andere Legung kurz diskutiert, doch die Zeit ist klar begrenzt und lange Debatten nicht möglich. Nach jeder Runde präsentiert abwechselnd eine Gruppe der anderen, was man sich gedacht hat und meistens ist man sich einig. Das geht fünf Runden so, bis man den aktuellen wissenschaftlichen Konsens auf dem Tisch liegen hat. Der ist sehr ernüchternd, für einige ist einiges neu und es ist kurz Zeit, emotional Bilanz zu ziehen.

Bei dem aktuellen Stand der Dinge sind Gefühle wie Entsetzen, Trauer oder leichte Panik keine Seltenheit, weshalb der zweite Teil des Workshops damit verbracht wird, diese Situation als Startpunkt für eine positive Entwicklung zu begreifen. Nicht umsonst wird auf dem Bildschirm eine Graphik zitiert, die ursprünglich aus der Sterbeforschung kommt.

Nun ist es an der Zeit, diese Ergebnisse mit unseren Gendanken, Wünschen, Ideen und auch noch der Nachaltigkeitsstrategie der Firma zusammenzubringen und wir kommen letztlich zu verschiedenen Dingen, die wir tun können, sei es privat oder bei der Arbeit.

Mir liegt es am Herzen, Moderator für dieses Workshopformat zu werden, damit mehr und mehr Menschen unaufdringlich um den aktuellen Stand zu wissen bekommen. Dies gehört letztlich zum großen Themenbereich „Kommunikation“, den auch andere nennen und der noch immer in vielen Bereichen zu kurz kommt. Notwendig ist es auch, zu erkennen, daß sich ein so unerträglich komplexes Gebilde wie die Weltgesellschaft – und selbst kleinere Gebilde wie Firmen – naturgemäß nur unendlich langsam entwickelt, selbst wenn die Notwendigkeit des sofortigen Handelns so derart auf der Hand liegt. Wichtig aber ist, daß gehandelt wird und zwar von jedem der kann.

Zuletzt erinnert uns unsere Trainerin an die glücklich machenden Dinge, die wir zu Beginn aufschreiben sollten und betont, daß dies oft Dinge sind, die keinen Footprint erzeugten (wie z.B. Blaumeisen). Die sollten wir mehr verfolgen und sofern es doch belastende Dinge sind, uns überlegen, wie wir sie schonender tun können.

Und dann ist plötzlich alles zu Ende. Unsere Wiener Kolleginnen müssen leider schon früher zurück, doch alle anderen bekomme ich noch flink zu einem Gruppenbild zusammen (kommt noch hier rein). Daraufhin besuche ich noch schnell den 10. Stock (wir saßen bis eben im 26.), wohin meine hiesigen KollegInnen schon entschwunden sind. Mit denen darf ich noch fix auf die Dachterrasse im 27. Stock, von wo man einen guten Blick über die Gegend hat. Hochhäuser im Hochnebel sind schon witzig (sieht man leider nicht mehr).

Doch unten wartet schon meine Hamburger Kollegin auf mich, mit der ich flink zum Bahnhof rollen muß, damit wir den Zug bekommen. Ich also wieder runter, mit ihr in die S-Bahn, eine Haltestelle gefahren und am Bahnhof in den Zug zurück nach Haus.

Was ein guter Tag!

Erste Pläne

Kukulkán Quelle Wikipedia

Wo fährt man hin, wenn man alles ansehen kann? Mexiko ist riesig und die Luftlinie von Ankunft bis Zielort mißt 3.000 km. Das ist schon ganz schön weit. Zum Glück kenn ich noch ein, zwei Dinge aus dem Studium und dann gibt es ja unsere Freundin, Frau Youtube. Dort finde ich Uri Ortega, einen Youtuber aus Mexiko, der sein Land bereist, nette Sachen erzählt und am Schluß immer probiert, was man dort gut essen kann. So bekomme ich aus verschiedenen Quellen ein paar Ideen für unsere Reise.

Eins scheint mir klar zu sein: ich will möglichst viel mit dem Bus und ggf. dem Auto rumkommen. Inlandsflüge sind zu vermeiden, wenn es geht. Eine Bahn gibt es dort kaum, bis auf z.B. das umstrittene Projekt „Tren Maya“, was eine Bahnlinie um Yucatan ist, für die allerhand Urwalt umgenietet wurde und das im wesentlichen dem Tourismus dienen wird, der größtenteils natürlich von den großen Hotelketten abgegriffen wird. Andererseits läßt es hoffen, daß damit mehr Verkehr auf die Schiene kommt, die dann mit Strom statt mit Benzin betrieben wird… Schwer zu sagen, so von außen. Whatever… Jedenfalls keine Touristenfahrt sondern den „normalen“ Überlandweg nehmen.

Und wir haben schon Termine, denn die Jahreszeit ist nahezu ideal, ohne daß ich es wußte:

  1. Tag und Nachtgleiche in Chichén Itzá am 21.03.: Das Licht fällt auf die Nordtreppe der Pyramide, daß es aussieht, als krieche die weiße gefiederte Schlange Kukulkán herab und bringe Fruchtbarkeit und Überfluß.
  2. Earth Hour am 23.03.: Die Stadt Mérida hat schon früher lebhaft daran teilgenommen, warum also nicht wieder?
  3. Ostern, Semana Santa, 29.03.-01.04.: Wer einmal Ostern in Spanien erlebt hat, kann sich das potentiert in bunt vorstellen.
  4. Sonnenfinsternis in Mazatlán am 08.04.: Das ist ja der Aufhänger und der krönende Abschluß der Reise.

Die ersten Unterkünfte sind inzwischen gebucht aber ich kann mich nicht entscheiden, wie die Reise dann weitergeht. Das Land ist so irre groß!
Die ersten Etappen sind auf jeden Fall: Cancún (Landung), mit dem Bus nach Tulum, von dort mit dem Auto nach Pisté (Chichén Itzá), weiter über Uxmal nach Mérida. Dann ist gerade mal der 23. März und Earth Hour.

Viele raten mir zu Bacalar, was dolle schön sei, aber das ist auch dann ab vom Schuß, wenn es in Richtung Zentralmexiko geht. Ach, es ist eine Krux. Und ich darf dabei nicht vergessen, daß ich mit meinem Kinde fahre. Die darf ich kulturell nicht zu sehr überfordern, sonst grimmt sie. Das will keiner auf so einer Reise. Das hatten wir mal, als wir zu zweit in Lissabon waren. Ich wollte dauernd alte Steine ankucken und sie so: „Laaaangweilig!“. Das war für beide eher doof. Also Obacht!

Daher sind Erlebnisse und Strand und sowas auch immer wichtig. Und lustiges Zeug kaufen, was man zu Hause benutzen kann und sich darüber freut. Daran soll sicher kein Mangel sein und für Vorschläge bin ich immer dankbar.

Wohin aber weiter? Ideen sind schon einmal: Palenque, Oaxaca und Umgebung, der Popocatépetl, allerlei in Mexico City (Casa de Frieda Kahlo, Xochimilco, Teotihuacán, …) und natürlich Mazatlán. Soll aber nicht in Stress ausarten. Gar nicht so leicht.

Gesichter St. Gallens

Jaja, ich weiß, was Ihr jetzt wohl denken mögt. Macht er Fotos von so Leuten aus der Stadt, die keiner kennt und die voll tolle Sachen machen. Aber nee, macht er nicht. Könnte er, macht er aber nicht. Naja, könnte ich auch nicht, kenne da ja noch viel zu wenige Menschen.

Stattdessen erfreue ich Euch (hoffentlich) mit einer meiner Lieblingsnebenbeschäftigungen, nämlich allerorten nach Gesichtern Ausschau halten. Das war auf dieser Reise nämlich sehr ergiebig, wie Ihr sehen werdet. Doch nun einfach zur Sache. Hier kommen sie…

Einen Tag dranhängen

Ich hatte ja bislang noch so gar keine Erfahrung mit Geschäftsreisen, da ich nie in einer Position gearbeitet habe, wo sich sowas ergeben hätte. Aber jetzt! Und wie alle vor mir, mache auch ich dieselbe Erfahrung, daß die meiste Zeit bei einer zweckgebundenen Reise mit dem Zweck ausgefüllt wird. Sprich, Seminar dauert den ganzen Tag, biste abends auch platt und kommst zu nix mehr. Dem habe ich mich ja ein klein wenig entgegengestemmt, aber so im Großen und Ganzen war es natürlich keine Klassenreise mit viel Stadt ankucken. Daher habe ich mir gedacht, ein Tag mehr kostet nicht die Welt und macht einen großen Unterschied in Weltläufigkeit.

Jetzt ist es also soweit. Habe mir nen Wecker gestellt, den ich aber bei Bemerken gleich wieder ausmache. Soll ja ein entspannter Tag werden. Die liebe Tanja von der HSG hat mir gestern noch einen Plan gebastelt, was ich ankucken soll und wo ich ein bißchen wandern kann, wozu ich sie auch gern mitgenommen hätte, war aber schon verabredet. Sehr schade! Nun werde ich also den Plan allein abarbeiten. Dazu lasse ich mal schön alles Zeug auf dem Zimmer liegen, sogar Biggie, meine Kamera, denn, auch wenn ich sie heiß und innig liebe, ist sie doch etwas sperrig und schwer. Also nur Handyfotos, muß reichen. Aber es geht beim Entdecken wenig über travelling light.

Also aufstehen, duschen, Kaffee rein und los. Als erstes in die Stiftsbibliothek (Unesco Weltkulturerbe!), denke ich mir, obwohl das Licht und das Wetter so herrlich sind, aber nachher ist die sicher randvoll mit Menschen. Dort angekommen sagt mir aber die freundliche Stiftsbibliothekseintrittskartenfachverkäuferin, daß um 13°° Uhr in der Bib eine öffentliche Führung stattfinde. Ich so, oh cool! Bis dahin sind ja auch noch fast drei Stunden Zeit und für die Strecke, die ich oben auf dem Hügel wandern will, brauche man gerade mal ne Stunde, sagt sie. Ich so, denn, dann komme ich halt nachher wieder. Sie so, klaro, viel Spaß. Drum gehe ich jetzt die 100 Meter zur Mühleggbahn, einer niedlichen Seilbahn, die tunnelig am Berg hochgezogen wird, vorbei an Graffitti und gehängten Bildern im Dunkeln. Oben angekommen, drehe ich eine kurze Runde ums Haus und bin schon auf der angeratenen Strecke.

Hübsch! Und bei dem Wetter, also bitte! So hübsch! Gehe an Wiese vorbei, kucke durch ein kostenloses Fernrohr (Freude!), laufe weiter, lasse mich albern durch ein Touridurchkuckwappendings fotografieren, weil es Spaß macht, bis rechts die Weihern kommen. Wir Norddeutschen würden die wohl Teiche nennen, aber die von hier halt nicht. Obendrein sind die zum Baden gedacht, wofür dort lustige Holzhäuschen stehen, in denen man sich z.B. umziehen kann. Eins davon wurde wohl noch fix von Christo eingepackt, wie damals der Reichstag oder es ist gerade im Umbau. Und dann steht etwas derart entzückendes am Wegesrand, daß ich mich gar nicht einkriege: Ein Stein mit einer Plakette zur Schillerlinde „gepflanzt von der dankbaren Jugend am 9. Mai 1905“. Also bitte! Die dankbare Jugend! Geht doch! Ich bin ganz bezuckert. Und dann fängt noch irendwo einer an Horn zu spielen! Echt jetzt!! Ich werde gleich irre, vor so viel Idyll.

Weiter geht’s des Weges, vorbei am hölzernen Saunahaus, vorbei am Miles for Peace-Schild eines UN-Läufers und einem sowas von akkurat aufgestapletem Haufen Schnittholzes. Das muß man ja den Schweizern lassen. Ordnung, das können die!

Dann aber sticht mich der Hafer und ich weiche vom vorgeschlagenen Weg ab, um einfach den Hügel raufzugehen. Pah, denke ich, ich bin Herr meiner Entscheidungen und wenn es mir gutdünkt, gehe ich da jetzt einfach hoch. Ich da also hoch, freue mich über die Welt, über Wald, Wasser und Blaumeisen. Sammle zwei ortstypische Steinchen auf, denn etwas möchte der Mensch mit nach Hause bringen. Haben auch so schöne weiße Adern. Bald aber merke ich, daß der Weg gar nicht wieder links abknickt, weshalb ich, voll Herr meiner Entscheidungen, einfach über die Weise nach unten gehe. Dort höre ich eine Kuhglocke und denke, Alter, geht etwa noch mehr Schweizcliché?? Naja, ich dem also nach und treffe puschlige Kühe an, die auch noch zutraulich sind und sich streicheln lassen. Fehlt nur noch Heidi, die kommt aber zum Glück nicht auch noch den Hügel heruntergetanzt.

Weiter geht’s: Das Kloster umrunden, aus dem Automaten für einen Franken und fünfzig Rappen eine süße Kleinigkeit ziehen (denn ein 2-Frankenstück habe ich gerade), dann den Weg zurück am Wald gehen, beim Milchhüsli für 10 Franken einen Kaffee und ein großes Stück Kuchen schnappen und dann, schon leicht getrieben, wieder zur Seilbahn zurück und runter, Richtung Stiftsbibliothek. Beim Runterfahren, versuche ich ein niedliches Katzenbild zu knipsen, was im Tunnel hängt, vergeige es aber. Muß ich wohl nochmal fahren, später.

Dann rein ins Unesco Welterbe. Ich zeige mein Billettchen vor und gehe zum Eingang. Dort wird gerade allen Menschen das Arsenal an Filzpantoffeln gewiesen. Ich, schwupp, welche über und rein da. Ich steh ja total auf sowas: Sammlungen von Wissen. Wie super ist das, wenn man einfach alles Wissen der Welt, das man kriegen kann, auf einen Haufen bringt, um daraus etwas zu machen, damit es mit der Menschheit mal vorwärts geht. Und da drinnen steht wirklich der heiße Scheiß seiner Zeit. Ein riesiger Globus (heute nur die Replik, nachdem im Krieg gegen Zürich 1512-18 das Original geklaut wurde) und allerlei Exponate aus einem Fundus von über 30.000 Büchern und die aus Zeiten seit dem 9.Jhd., inklusive dem ersten, allerdings nicht realisierten, Bauplan des Klosters von ~800 AD. Das ist schon toll! Also, das war zu deren Zeit nicht nur toll, das war irre! Witzigerweise finden sich darunter dann auch mal Krickeleien von Mönchen, die auch mal ihren Spaß haben wollten.

Und dann passiert das, was einem in dieser Stadt anscheinend permanent passiert: ich treffe eine Bekannte. Na, wir haben uns vor zwei Tagen in der Lounge des WBZ kennengelernt und nun laufen wir uns gleich wieder über den Weg und diesmal ist ihr Sohn aus Brasilien auch dabei. Also beschließen wir zusammen weiterzulaufen und Sachen anzukucken. Leider reicht das nur bis zur Kathedrale nebenan, da die beiden etwas essen gehen wollen, ich dann aber die Führung durchs Stadtparlament verpassen würde. Also verabschieden wir einander herzlich und gehen dann weiter unserer Wege. Mich führt das direktemang in die „Neue Pfalz“, sprich, das Regierungshaus des Kantons St. Gallen. Dort erklärt man uns allerlei Räume und Dinge und wir dürfen sogar in den Parlamentssaal und auf allen Stühlen sitzen. Machen wir natürlich auch und knipsen noch Bilder

Nach der Führung, es ist mittlerweile vier Uhr, ist es an der Zeit, endlich die Postkarten zu schreiben. Dafür suche ich mir ein Café in der Nähe und bestelle Cappuccino. In der Bibliothek habe ich noch eine Postkarte dazu gekauft, womit ich jetzt ausreichen Karten für die Briefmarken habe. Wie üblich fehlen mir zwei Postleitzahlen, die ich aber im Zimmer nachtragen will, bevor ich die Karten einwerfe. Natürlich vergesse ich diesen Vorsatz sofort wieder und werfe alle Karten direkt in den nächsten Postkasten, eine sogar – rollt die Augen – ohne Hausnummer. Das kriegt die Deutsche Post doch wieder nicht ausgebügelt, meine Unfähigkeit. 10,-€ in den Sand gesetzt, denn Karte und Marke kosten beide 2 Maak und dann ist der Franken ja noch mehr wert. Je nun, vielleicht lerne ich ja mal was daraus.

Jetzt ist es ca. 17.00 Uhr. Immer noch drei Stunden bis zum Zug. Also noch einmal mit der Seilbahn hoch, denn ich muß ja noch das Katzenbild… Diesmal Video und diesmal klappt es (kreige das hier nur gerade nicht raufgeladen, vielleicht später von zu Haus). Und dann wandere ich einfach den Weg wieder runter, durch die Mühlenenschlucht (wird nicht geräumt und gestreut, sagt das Schild). Danach verlaufe ich mich ein bißchen, finde den Weg aber schnell wieder und gehe dann auf mein Zimmer und packe den Rest ein. und schwätze noch etwas mit Felix und seiner Frau.

Dann mache ich mich auf den Weg, noch mit Felix‘ Worten im Ohr, ich solle auf die binäre Uhr am Bahnhof achten. Ich so, hä? Er so, wirste schon sehen. Hat er Recht. Komme zum Bahnhof, sehe Binäruhr, die total cool ist. Muß man naürlich Binärcode verstehen. Verstehen tu ich’s, lesen kann ich’s trotzdem nicht. Aber cool 🙂 Dann rein in den Bahnhof. Zug kommt irgendwann, einsteigen und auf nach Haus. Am besten jetzt noch alles laden und schreiben, denn wer weiß, ob es in der Deutschen Bahn alles klappt.

Doch es klappt besser als befürchtet. Nur ist der ICE von München (Abfahrt 0:01 Uhr) kein Liege-, Schlaf- oder Zurücklehnwagen. Dann schreibe ich eben länger. Mal sehen, wie lange ich durchhalte, sind ja alles zusammen nur 13 Stunden Fahrt, hahaha.

Bis dahin erst einmal gute Nacht.

Kursende und dann?

Wir wissen’s, nur die Wurst hat zwei. Eine Woche Kurs sind halt auch nur fünf Tage und Dank Flow sind die fix vorbei. Gestern war schon Freitag und nachdem ein Herr von einem Liechtensteiner Teil von Thyssen-Krupp, der uns als interessanterweise einziger gesiezt hat (Geschäftsführer…), Einsichten in die Automobilzuliefererindustrienachhaltigkeitsproblematik gegeben hat, dürfen wir nacheinander alle unsere Gruppenarbeiten präsentieren. Das tun wir dann auch und werden auch brav für unsere Versäumnisse gerupft. Zum Glück alles im geschützten Raum und mit Verbesserungsvorschlägen und mit einem zwinkernden Auge.

Danach geht es nur noch ums Wrap-up, was wir denn mitnehmen würden, was wir besonders gut gefunden hätten und was wir uns gewünscht hätten. Doch wir sind alle ausgesprochen zufrieden mit dem Seminar und nun auch noch sehr erleichtert, da so eine Präsentation ja doch immer etwas unruhig macht. Kathrin aus meiner Gruppe, die übrigens auch das Weiterbildungszentrum leitet, an dem wir hier alle gerade sind, hat die Gelegenheit genutzt, uns allen noch ein Glas vor Ort gesummten Honig zu schenken. Hat ein ehemaliger Prof der Uni hier von seinen Bienen zusammentragen lassen. Ich darf sogar noch eins für Lucy mitnehmen.

Dann sitzen wir noch ein wenig beieinander und fassen unsere informative Beute zusammen. Natürlich habe auch ich ein, zwei Ideen für zu Hause ausgedacht, die ich dort anwenden möchte, doch die kann ich hier noch nicht vom Turm blasen 🙂 Bevor jedoch alle auseinanderstieben, verlange ich ein Gruppenfoto mit allen zu machen. Zum Glück ist noch keiner weg und keiner weigert sich. Danach aber sind binnen kurzem leider alle los und so mache auch ich mich auf die Socken.

Ich bleibe noch einen weiteren Tag in der Stadt und habe mir dafür ein Air B’n’B gesucht (disruptive Innovation). Ich rolle nun mit meinem durch den Einkauf stark gewachsenen Gepäck bummelig runter in die Stadt. Mein Gastgeber betreibt einen Laden mit allerlei Ansichts- und Andenkenobjekten in der Bankgasse. Das suche ich erst einmal auf der offline-Landkarte und wandere dann darauf zu. Als ich ankomme, beschwätzen wir uns kurz und dann lasse ich zunächst meinen Rollkoffer bei ihm, da ich eben gerade noch an unserer Kursorganisatorin vorbeigelaufen bin. Die überfalle ich noch kurz bei ihrem Treffen mit ihrer Freundin, doch dann lasse ich sie lieber wieder in Ruhe. Möchte ja auch niemandem auf den Keks gehen.

Vor der Tür entdecke ich eine neue Umnutzung alter Telelfonzellen, nämlich als regensichere Kinderbespaßungsspielzelle. Sehr niedlich, aber schon abgeschlossen, ich kann also nicht mehr rein. Dann bummele ich noch etwas durch die Stadt, kaufe teure Kekse und finde in einem Buchladen noch hübsche Postkarten. Da ich ein notorisch altmodischer Postkartenschreiber bin, kaufe ich drei und brauche jetzt natürlich noch Briefmarken. Der Buchladner beschreibt mir also freundlich den Weg zur Hauptpoststelle und ich laufe los. In der Tat finde ich sie, doch brauche ich erst etwas, um zu bemerken, daß man hier eine Nummer ziehen muß, wie bei uns auf dem Amt. Dann aber geht es auch schnell und ich bekomme die benötigten Marken.

Da nun alles geschafft ist, eile ich zu meinem Gastgeber zurück, der jetzt seinen Laden schließt und dann mit mir im Schlepptau nach Hause geht. Ich zerre, langsam ermüdet von viel Tages, meinen Koffer hinter mir her und folge ihm berg- und trepp- immer weiter -auf. Dann kommen wir endlich an, der Weg war gar nicht weit, und ich falle nach kurzem Ankommen, direkt in Schlaf. Als ich wieder aufwache, möchte ich aber nicht unhöflich sein und geselle mich ins Wohnzimmer. Dort verfallen Felix (mein Gastgeber) und ich dann noch in lange und ausgiebige Diskussionen über Gott im allgemeinen und die Welt im speziellen, bis die Uhr fast eins zeigt. Dann schwächele ich erneut und ziehe mich zurück.

Was, schon Mittwoch? Nee, Donnerstag!

Time flies, when you’re having fun, das kennen wir ja. Und es ist spannend und interessant hier! Jeden Tag mehrere Vorträge von Menschen, die in Unternehmen mit Nachhaltigkeit zu schaffen haben und gute Ansätze vorzeigen. Darunter auch aus der Zementbranche oder von der Uhrenmarke Breitling. Denkt man sich erst „ja klar, gerade die…“, bis man begreift, daß kein Unternehmen sagen würde „ok, eingesehen, alles Mist. Wir machen jetzt den Laden dicht.“ Wenn stattdessen aber viel Zeit, Aufwand und, ja, auch Geld in neue Methoden und Techniken gesteckt wird, bemerkt man das von außen selten.

Alle hier vortagenden Unternehmen haben extern auditierte und ambitionierte Nachhaltigkeitsziele. Bei der Größe der Firmen dauert das alles natürlich seine Weile, zumal sowas wie Zementhersteller und Fluglinien inhärent CO2-lastig sind und wahrscheinlich nie völlig ohne sein werden oder wenigstens noch sehr, sehr lang nicht. Aber sie mühen sich redlich.

Wir aber auch, wenngleich wir im wesentlichen nur rumsitzen und zuhören. Da wir aber auch wissen wollen, worum es geht und daher konzentriert lauschen, schlaucht das auch ganz schön. Dann hat man am Abend fast den ganzen Tag gesessen, zugehört und ab und zu mal ne schlaue Frage gestellt und macht dann noch Gruppenarbeit und ist dann einfach platt.

Dafür wurden wir am Dienstagabend alle zusammen zum Biertasting unten im Ort eingeladen. Wir also alle zusammen zu Fuß runter. St. Gallen, in der Schweiz mit vielen Bergen gelegen, hat das Weiterbildungszentrum der Uni gewitzterweise auch auf den Berg gebaut, sodaß man 20 Minuten Weges braucht, um unten an der Hauptstraße anzukommen. Wir bewältigen das alles und setzen uns schön zusammen. Endlich mal laufen.

Ich bin die ganze Zeit im strategischen Nachteil, denn ich spreche kein Schwyzerdütsch. Verstehen geht leidlich. Wenn aber nur zwei Schweizer miteinander schnell reden, muß ich kapitulieren. Dankenswerterweise schwenken die meisten aber mitleidig auf „Schriftdeutsch“ um, wenn sie merken, daß ich dasitze wie der Ochs vorm Berge und immer nur freundlich nicke, wenn ich angesprochen werde.

Nun sitzen wir schön beisammen, ich bestelle eine Fönki Diana (Flammkuchen ohne Tiere) und allen wird ein Dreierträger Eigenbräu gebracht. Daraufhin beginnt die Einführung in ein paar Bier-Basics. Ich lerne, daß IPA für Indian Pale Ale steht, was die Briten seinerzeit ihren Briten in Indien schickten, und zur besseren Bakterienabwehr viel Hopfen reinmachten. Gestopft nennt man das dann und es wird dunkler. Jaja. Die zwei anderen sind Bier und Bier. Aber gutes Zeug.

Das war Dienstagabend, Mittwoch ist jetzt auch schon an mir vorbeigerannt und heute ist schon der letzte Abend des Seminars. Daß das so schnell gehen muß! MannMannMann.

Dafür habe ich es heute geschafft, allerlei Dinge zu erledigen. Morgens gleich Wäsche gewaschen, mittags Wäsche getrocknet und jetzt abends bin ich runter in die Stadt gegangen und habe zwei Supermärkte geplündert, denn nichts zeigt einem besser den Alltag eines fremden Landes als der gemeine Kaufmannsladen. Kaum hatte ich dann die 32 kilo Einkauf im Sack, dachte ich mir, wenn ich schon hier bin, kann ich auch gleich die Innenstadt ankucken. Gedacht, gemacht. Um 19.00 Uhr machen hier übrigens die Läden zu, weshalb ich auch fix mit dem Einkauf fertig war. Dann also weiter, immer der Nase nach.

Da kommt man dann an lustigen schweizerischen Erfindungen vorbei, wie dem Drive-In-Bankautomaten. Warum sind wir da noch nicht drauf gekommen??? Weiter geht’s in die Innenstadt, die ausnehmend hübsch ist. Viele niedliche alte Häuser und allerlei Gekirch. Leider sind nach Ladenschluß auch die meisten Leute weg, aber so habe ich bessere Sicht beim Fotografieren.

Ich komme auch an alten Placken Schnees vorbei, die hier schon seit Wochen liegen müssen, denn, wie erwähnt, ist es seit mehr als einer Woche recht warm hier, wogegen man oben im Hauptgebäude noch stolz Fotos vom kürzlich noch liegenden Schnee zeigt.

Es gibt aber auch andere interessante Dinge, die weniger mit der Geschichte der Stadt zu tun haben. So nutzt man in St. Gallen E-Busse, die mit Oberleitung fahren, was manchmal zu lustigen Installationen führt, die über der Kreuzung hängen. Außerdem komme ich irgendwo am Hang an einem Grundstück vorbei, auf dem gebaut werden soll. Passiert sowas, muß der Bauherr dann so Stangen einstecken, die so hoch herausragen, wie dann später das Haus sein wird. Sieht aus, wie am Bootshafen, nur am Berg und ohne Boote.

Nach zwei Stunden Wanderns bin ich langsam Ruhebereit und mache mich an den Anstieg zum Zimmer. Finde den Weg und werde noch fix mit etwas Arbeit erfreut, da in Hamburg gerade die Büroeingangstür sperrangelweit offen steht. Zum Glück löst sich das Problem schnell. Irgendwer ist an den Notöffner gekommen und als der wieder rausgezogen ist, schließt sich alles wieder aufs Prächtigste.

Und da nun alle zufrieden sind, tippe ich noch diese Zeilen zu Ende und beginne damit, meinen Koffer zu packen. Morgen ist ja leider schon Schluß und ich siedele für einen Tag noch in ein AirBnB um. We’ll see how that goes.

Gute Nacht und liebe Grüße
Riklef