Einen Tag dranhängen

Ich hatte ja bislang noch so gar keine Erfahrung mit Geschäftsreisen, da ich nie in einer Position gearbeitet habe, wo sich sowas ergeben hätte. Aber jetzt! Und wie alle vor mir, mache auch ich dieselbe Erfahrung, daß die meiste Zeit bei einer zweckgebundenen Reise mit dem Zweck ausgefüllt wird. Sprich, Seminar dauert den ganzen Tag, biste abends auch platt und kommst zu nix mehr. Dem habe ich mich ja ein klein wenig entgegengestemmt, aber so im Großen und Ganzen war es natürlich keine Klassenreise mit viel Stadt ankucken. Daher habe ich mir gedacht, ein Tag mehr kostet nicht die Welt und macht einen großen Unterschied in Weltläufigkeit.

Jetzt ist es also soweit. Habe mir nen Wecker gestellt, den ich aber bei Bemerken gleich wieder ausmache. Soll ja ein entspannter Tag werden. Die liebe Tanja von der HSG hat mir gestern noch einen Plan gebastelt, was ich ankucken soll und wo ich ein bißchen wandern kann, wozu ich sie auch gern mitgenommen hätte, war aber schon verabredet. Sehr schade! Nun werde ich also den Plan allein abarbeiten. Dazu lasse ich mal schön alles Zeug auf dem Zimmer liegen, sogar Biggie, meine Kamera, denn, auch wenn ich sie heiß und innig liebe, ist sie doch etwas sperrig und schwer. Also nur Handyfotos, muß reichen. Aber es geht beim Entdecken wenig über travelling light.

Also aufstehen, duschen, Kaffee rein und los. Als erstes in die Stiftsbibliothek (Unesco Weltkulturerbe!), denke ich mir, obwohl das Licht und das Wetter so herrlich sind, aber nachher ist die sicher randvoll mit Menschen. Dort angekommen sagt mir aber die freundliche Stiftsbibliothekseintrittskartenfachverkäuferin, daß um 13°° Uhr in der Bib eine öffentliche Führung stattfinde. Ich so, oh cool! Bis dahin sind ja auch noch fast drei Stunden Zeit und für die Strecke, die ich oben auf dem Hügel wandern will, brauche man gerade mal ne Stunde, sagt sie. Ich so, denn, dann komme ich halt nachher wieder. Sie so, klaro, viel Spaß. Drum gehe ich jetzt die 100 Meter zur Mühleggbahn, einer niedlichen Seilbahn, die tunnelig am Berg hochgezogen wird, vorbei an Graffitti und gehängten Bildern im Dunkeln. Oben angekommen, drehe ich eine kurze Runde ums Haus und bin schon auf der angeratenen Strecke.

Hübsch! Und bei dem Wetter, also bitte! So hübsch! Gehe an Wiese vorbei, kucke durch ein kostenloses Fernrohr (Freude!), laufe weiter, lasse mich albern durch ein Touridurchkuckwappendings fotografieren, weil es Spaß macht, bis rechts die Weihern kommen. Wir Norddeutschen würden die wohl Teiche nennen, aber die von hier halt nicht. Obendrein sind die zum Baden gedacht, wofür dort lustige Holzhäuschen stehen, in denen man sich z.B. umziehen kann. Eins davon wurde wohl noch fix von Christo eingepackt, wie damals der Reichstag oder es ist gerade im Umbau. Und dann steht etwas derart entzückendes am Wegesrand, daß ich mich gar nicht einkriege: Ein Stein mit einer Plakette zur Schillerlinde „gepflanzt von der dankbaren Jugend am 9. Mai 1905“. Also bitte! Die dankbare Jugend! Geht doch! Ich bin ganz bezuckert. Und dann fängt noch irendwo einer an Horn zu spielen! Echt jetzt!! Ich werde gleich irre, vor so viel Idyll.

Weiter geht’s des Weges, vorbei am hölzernen Saunahaus, vorbei am Miles for Peace-Schild eines UN-Läufers und einem sowas von akkurat aufgestapletem Haufen Schnittholzes. Das muß man ja den Schweizern lassen. Ordnung, das können die!

Dann aber sticht mich der Hafer und ich weiche vom vorgeschlagenen Weg ab, um einfach den Hügel raufzugehen. Pah, denke ich, ich bin Herr meiner Entscheidungen und wenn es mir gutdünkt, gehe ich da jetzt einfach hoch. Ich da also hoch, freue mich über die Welt, über Wald, Wasser und Blaumeisen. Sammle zwei ortstypische Steinchen auf, denn etwas möchte der Mensch mit nach Hause bringen. Haben auch so schöne weiße Adern. Bald aber merke ich, daß der Weg gar nicht wieder links abknickt, weshalb ich, voll Herr meiner Entscheidungen, einfach über die Weise nach unten gehe. Dort höre ich eine Kuhglocke und denke, Alter, geht etwa noch mehr Schweizcliché?? Naja, ich dem also nach und treffe puschlige Kühe an, die auch noch zutraulich sind und sich streicheln lassen. Fehlt nur noch Heidi, die kommt aber zum Glück nicht auch noch den Hügel heruntergetanzt.

Weiter geht’s: Das Kloster umrunden, aus dem Automaten für einen Franken und fünfzig Rappen eine süße Kleinigkeit ziehen (denn ein 2-Frankenstück habe ich gerade), dann den Weg zurück am Wald gehen, beim Milchhüsli für 10 Franken einen Kaffee und ein großes Stück Kuchen schnappen und dann, schon leicht getrieben, wieder zur Seilbahn zurück und runter, Richtung Stiftsbibliothek. Beim Runterfahren, versuche ich ein niedliches Katzenbild zu knipsen, was im Tunnel hängt, vergeige es aber. Muß ich wohl nochmal fahren, später.

Dann rein ins Unesco Welterbe. Ich zeige mein Billettchen vor und gehe zum Eingang. Dort wird gerade allen Menschen das Arsenal an Filzpantoffeln gewiesen. Ich, schwupp, welche über und rein da. Ich steh ja total auf sowas: Sammlungen von Wissen. Wie super ist das, wenn man einfach alles Wissen der Welt, das man kriegen kann, auf einen Haufen bringt, um daraus etwas zu machen, damit es mit der Menschheit mal vorwärts geht. Und da drinnen steht wirklich der heiße Scheiß seiner Zeit. Ein riesiger Globus (heute nur die Replik, nachdem im Krieg gegen Zürich 1512-18 das Original geklaut wurde) und allerlei Exponate aus einem Fundus von über 30.000 Büchern und die aus Zeiten seit dem 9.Jhd., inklusive dem ersten, allerdings nicht realisierten, Bauplan des Klosters von ~800 AD. Das ist schon toll! Also, das war zu deren Zeit nicht nur toll, das war irre! Witzigerweise finden sich darunter dann auch mal Krickeleien von Mönchen, die auch mal ihren Spaß haben wollten.

Und dann passiert das, was einem in dieser Stadt anscheinend permanent passiert: ich treffe eine Bekannte. Na, wir haben uns vor zwei Tagen in der Lounge des WBZ kennengelernt und nun laufen wir uns gleich wieder über den Weg und diesmal ist ihr Sohn aus Brasilien auch dabei. Also beschließen wir zusammen weiterzulaufen und Sachen anzukucken. Leider reicht das nur bis zur Kathedrale nebenan, da die beiden etwas essen gehen wollen, ich dann aber die Führung durchs Stadtparlament verpassen würde. Also verabschieden wir einander herzlich und gehen dann weiter unserer Wege. Mich führt das direktemang in die „Neue Pfalz“, sprich, das Regierungshaus des Kantons St. Gallen. Dort erklärt man uns allerlei Räume und Dinge und wir dürfen sogar in den Parlamentssaal und auf allen Stühlen sitzen. Machen wir natürlich auch und knipsen noch Bilder

Nach der Führung, es ist mittlerweile vier Uhr, ist es an der Zeit, endlich die Postkarten zu schreiben. Dafür suche ich mir ein Café in der Nähe und bestelle Cappuccino. In der Bibliothek habe ich noch eine Postkarte dazu gekauft, womit ich jetzt ausreichen Karten für die Briefmarken habe. Wie üblich fehlen mir zwei Postleitzahlen, die ich aber im Zimmer nachtragen will, bevor ich die Karten einwerfe. Natürlich vergesse ich diesen Vorsatz sofort wieder und werfe alle Karten direkt in den nächsten Postkasten, eine sogar – rollt die Augen – ohne Hausnummer. Das kriegt die Deutsche Post doch wieder nicht ausgebügelt, meine Unfähigkeit. 10,-€ in den Sand gesetzt, denn Karte und Marke kosten beide 2 Maak und dann ist der Franken ja noch mehr wert. Je nun, vielleicht lerne ich ja mal was daraus.

Jetzt ist es ca. 17.00 Uhr. Immer noch drei Stunden bis zum Zug. Also noch einmal mit der Seilbahn hoch, denn ich muß ja noch das Katzenbild… Diesmal Video und diesmal klappt es (kreige das hier nur gerade nicht raufgeladen, vielleicht später von zu Haus). Und dann wandere ich einfach den Weg wieder runter, durch die Mühlenenschlucht (wird nicht geräumt und gestreut, sagt das Schild). Danach verlaufe ich mich ein bißchen, finde den Weg aber schnell wieder und gehe dann auf mein Zimmer und packe den Rest ein. und schwätze noch etwas mit Felix und seiner Frau.

Dann mache ich mich auf den Weg, noch mit Felix‘ Worten im Ohr, ich solle auf die binäre Uhr am Bahnhof achten. Ich so, hä? Er so, wirste schon sehen. Hat er Recht. Komme zum Bahnhof, sehe Binäruhr, die total cool ist. Muß man naürlich Binärcode verstehen. Verstehen tu ich’s, lesen kann ich’s trotzdem nicht. Aber cool 🙂 Dann rein in den Bahnhof. Zug kommt irgendwann, einsteigen und auf nach Haus. Am besten jetzt noch alles laden und schreiben, denn wer weiß, ob es in der Deutschen Bahn alles klappt.

Doch es klappt besser als befürchtet. Nur ist der ICE von München (Abfahrt 0:01 Uhr) kein Liege-, Schlaf- oder Zurücklehnwagen. Dann schreibe ich eben länger. Mal sehen, wie lange ich durchhalte, sind ja alles zusammen nur 13 Stunden Fahrt, hahaha.

Bis dahin erst einmal gute Nacht.

Kursende und dann?

Wir wissen’s, nur die Wurst hat zwei. Eine Woche Kurs sind halt auch nur fünf Tage und Dank Flow sind die fix vorbei. Gestern war schon Freitag und nachdem ein Herr von einem Liechtensteiner Teil von Thyssen-Krupp, der uns als interessanterweise einziger gesiezt hat (Geschäftsführer…), Einsichten in die Automobilzuliefererindustrienachhaltigkeitsproblematik gegeben hat, dürfen wir nacheinander alle unsere Gruppenarbeiten präsentieren. Das tun wir dann auch und werden auch brav für unsere Versäumnisse gerupft. Zum Glück alles im geschützten Raum und mit Verbesserungsvorschlägen und mit einem zwinkernden Auge.

Danach geht es nur noch ums Wrap-up, was wir denn mitnehmen würden, was wir besonders gut gefunden hätten und was wir uns gewünscht hätten. Doch wir sind alle ausgesprochen zufrieden mit dem Seminar und nun auch noch sehr erleichtert, da so eine Präsentation ja doch immer etwas unruhig macht. Kathrin aus meiner Gruppe, die übrigens auch das Weiterbildungszentrum leitet, an dem wir hier alle gerade sind, hat die Gelegenheit genutzt, uns allen noch ein Glas vor Ort gesummten Honig zu schenken. Hat ein ehemaliger Prof der Uni hier von seinen Bienen zusammentragen lassen. Ich darf sogar noch eins für Lucy mitnehmen.

Dann sitzen wir noch ein wenig beieinander und fassen unsere informative Beute zusammen. Natürlich habe auch ich ein, zwei Ideen für zu Hause ausgedacht, die ich dort anwenden möchte, doch die kann ich hier noch nicht vom Turm blasen 🙂 Bevor jedoch alle auseinanderstieben, verlange ich ein Gruppenfoto mit allen zu machen. Zum Glück ist noch keiner weg und keiner weigert sich. Danach aber sind binnen kurzem leider alle los und so mache auch ich mich auf die Socken.

Ich bleibe noch einen weiteren Tag in der Stadt und habe mir dafür ein Air B’n’B gesucht (disruptive Innovation). Ich rolle nun mit meinem durch den Einkauf stark gewachsenen Gepäck bummelig runter in die Stadt. Mein Gastgeber betreibt einen Laden mit allerlei Ansichts- und Andenkenobjekten in der Bankgasse. Das suche ich erst einmal auf der offline-Landkarte und wandere dann darauf zu. Als ich ankomme, beschwätzen wir uns kurz und dann lasse ich zunächst meinen Rollkoffer bei ihm, da ich eben gerade noch an unserer Kursorganisatorin vorbeigelaufen bin. Die überfalle ich noch kurz bei ihrem Treffen mit ihrer Freundin, doch dann lasse ich sie lieber wieder in Ruhe. Möchte ja auch niemandem auf den Keks gehen.

Vor der Tür entdecke ich eine neue Umnutzung alter Telelfonzellen, nämlich als regensichere Kinderbespaßungsspielzelle. Sehr niedlich, aber schon abgeschlossen, ich kann also nicht mehr rein. Dann bummele ich noch etwas durch die Stadt, kaufe teure Kekse und finde in einem Buchladen noch hübsche Postkarten. Da ich ein notorisch altmodischer Postkartenschreiber bin, kaufe ich drei und brauche jetzt natürlich noch Briefmarken. Der Buchladner beschreibt mir also freundlich den Weg zur Hauptpoststelle und ich laufe los. In der Tat finde ich sie, doch brauche ich erst etwas, um zu bemerken, daß man hier eine Nummer ziehen muß, wie bei uns auf dem Amt. Dann aber geht es auch schnell und ich bekomme die benötigten Marken.

Da nun alles geschafft ist, eile ich zu meinem Gastgeber zurück, der jetzt seinen Laden schließt und dann mit mir im Schlepptau nach Hause geht. Ich zerre, langsam ermüdet von viel Tages, meinen Koffer hinter mir her und folge ihm berg- und trepp- immer weiter -auf. Dann kommen wir endlich an, der Weg war gar nicht weit, und ich falle nach kurzem Ankommen, direkt in Schlaf. Als ich wieder aufwache, möchte ich aber nicht unhöflich sein und geselle mich ins Wohnzimmer. Dort verfallen Felix (mein Gastgeber) und ich dann noch in lange und ausgiebige Diskussionen über Gott im allgemeinen und die Welt im speziellen, bis die Uhr fast eins zeigt. Dann schwächele ich erneut und ziehe mich zurück.

Was, schon Mittwoch? Nee, Donnerstag!

Time flies, when you’re having fun, das kennen wir ja. Und es ist spannend und interessant hier! Jeden Tag mehrere Vorträge von Menschen, die in Unternehmen mit Nachhaltigkeit zu schaffen haben und gute Ansätze vorzeigen. Darunter auch aus der Zementbranche oder von der Uhrenmarke Breitling. Denkt man sich erst „ja klar, gerade die…“, bis man begreift, daß kein Unternehmen sagen würde „ok, eingesehen, alles Mist. Wir machen jetzt den Laden dicht.“ Wenn stattdessen aber viel Zeit, Aufwand und, ja, auch Geld in neue Methoden und Techniken gesteckt wird, bemerkt man das von außen selten.

Alle hier vortagenden Unternehmen haben extern auditierte und ambitionierte Nachhaltigkeitsziele. Bei der Größe der Firmen dauert das alles natürlich seine Weile, zumal sowas wie Zementhersteller und Fluglinien inhärent CO2-lastig sind und wahrscheinlich nie völlig ohne sein werden oder wenigstens noch sehr, sehr lang nicht. Aber sie mühen sich redlich.

Wir aber auch, wenngleich wir im wesentlichen nur rumsitzen und zuhören. Da wir aber auch wissen wollen, worum es geht und daher konzentriert lauschen, schlaucht das auch ganz schön. Dann hat man am Abend fast den ganzen Tag gesessen, zugehört und ab und zu mal ne schlaue Frage gestellt und macht dann noch Gruppenarbeit und ist dann einfach platt.

Dafür wurden wir am Dienstagabend alle zusammen zum Biertasting unten im Ort eingeladen. Wir also alle zusammen zu Fuß runter. St. Gallen, in der Schweiz mit vielen Bergen gelegen, hat das Weiterbildungszentrum der Uni gewitzterweise auch auf den Berg gebaut, sodaß man 20 Minuten Weges braucht, um unten an der Hauptstraße anzukommen. Wir bewältigen das alles und setzen uns schön zusammen. Endlich mal laufen.

Ich bin die ganze Zeit im strategischen Nachteil, denn ich spreche kein Schwyzerdütsch. Verstehen geht leidlich. Wenn aber nur zwei Schweizer miteinander schnell reden, muß ich kapitulieren. Dankenswerterweise schwenken die meisten aber mitleidig auf „Schriftdeutsch“ um, wenn sie merken, daß ich dasitze wie der Ochs vorm Berge und immer nur freundlich nicke, wenn ich angesprochen werde.

Nun sitzen wir schön beisammen, ich bestelle eine Fönki Diana (Flammkuchen ohne Tiere) und allen wird ein Dreierträger Eigenbräu gebracht. Daraufhin beginnt die Einführung in ein paar Bier-Basics. Ich lerne, daß IPA für Indian Pale Ale steht, was die Briten seinerzeit ihren Briten in Indien schickten, und zur besseren Bakterienabwehr viel Hopfen reinmachten. Gestopft nennt man das dann und es wird dunkler. Jaja. Die zwei anderen sind Bier und Bier. Aber gutes Zeug.

Das war Dienstagabend, Mittwoch ist jetzt auch schon an mir vorbeigerannt und heute ist schon der letzte Abend des Seminars. Daß das so schnell gehen muß! MannMannMann.

Dafür habe ich es heute geschafft, allerlei Dinge zu erledigen. Morgens gleich Wäsche gewaschen, mittags Wäsche getrocknet und jetzt abends bin ich runter in die Stadt gegangen und habe zwei Supermärkte geplündert, denn nichts zeigt einem besser den Alltag eines fremden Landes als der gemeine Kaufmannsladen. Kaum hatte ich dann die 32 kilo Einkauf im Sack, dachte ich mir, wenn ich schon hier bin, kann ich auch gleich die Innenstadt ankucken. Gedacht, gemacht. Um 19.00 Uhr machen hier übrigens die Läden zu, weshalb ich auch fix mit dem Einkauf fertig war. Dann also weiter, immer der Nase nach.

Da kommt man dann an lustigen schweizerischen Erfindungen vorbei, wie dem Drive-In-Bankautomaten. Warum sind wir da noch nicht drauf gekommen??? Weiter geht’s in die Innenstadt, die ausnehmend hübsch ist. Viele niedliche alte Häuser und allerlei Gekirch. Leider sind nach Ladenschluß auch die meisten Leute weg, aber so habe ich bessere Sicht beim Fotografieren.

Ich komme auch an alten Placken Schnees vorbei, die hier schon seit Wochen liegen müssen, denn, wie erwähnt, ist es seit mehr als einer Woche recht warm hier, wogegen man oben im Hauptgebäude noch stolz Fotos vom kürzlich noch liegenden Schnee zeigt.

Es gibt aber auch andere interessante Dinge, die weniger mit der Geschichte der Stadt zu tun haben. So nutzt man in St. Gallen E-Busse, die mit Oberleitung fahren, was manchmal zu lustigen Installationen führt, die über der Kreuzung hängen. Außerdem komme ich irgendwo am Hang an einem Grundstück vorbei, auf dem gebaut werden soll. Passiert sowas, muß der Bauherr dann so Stangen einstecken, die so hoch herausragen, wie dann später das Haus sein wird. Sieht aus, wie am Bootshafen, nur am Berg und ohne Boote.

Nach zwei Stunden Wanderns bin ich langsam Ruhebereit und mache mich an den Anstieg zum Zimmer. Finde den Weg und werde noch fix mit etwas Arbeit erfreut, da in Hamburg gerade die Büroeingangstür sperrangelweit offen steht. Zum Glück löst sich das Problem schnell. Irgendwer ist an den Notöffner gekommen und als der wieder rausgezogen ist, schließt sich alles wieder aufs Prächtigste.

Und da nun alle zufrieden sind, tippe ich noch diese Zeilen zu Ende und beginne damit, meinen Koffer zu packen. Morgen ist ja leider schon Schluß und ich siedele für einen Tag noch in ein AirBnB um. We’ll see how that goes.

Gute Nacht und liebe Grüße
Riklef

Seminar „Nachhaltigkeit für Support Positionen“

Tag eins, Montag

Der Tag beginnt phantastisch, nämlich einfach mit aufwachen vor dem Wecker, also fast so gut wie quasi ausgeschlafen, nach fetten 4 1/2 Stunden. Ich lass es halt einfach immer krachen… Die Sonne geht gerade auf und bemalt dabei den Horizont. Muß man einfach fotografieren, kann man nicht gegenan. Dann kommt sie langsam ganz raus und zeigt, daß da hinten auch noch Berge sind, sogar mit Schnee. Bis vor zwei Wochen soll hier unten ja knietief Schnee gelegen haben. Davon ist aber leider nichts mehr übrig, bei 9-10° Tagestemperatur. Und so blöd das auch für einen Januar ist, ist das Wetter heute wirklich herrlich.

So schäle ich mich also langsam aus dem Bette, dusche mich sauber und ziehe mich präsentabel an, nachdem ich mich sogar rasiert habe (there’s no second chance to make a first impression). Dann folge ich dem Rat, mir ein Frühstück kredenzen zu lassen, gehe in den ersten Stock und rüber ins Nachbargebäude. Dort ist der dazu gewidmete Raum, in dem ein Tresen mit Frühstückszeug steht und in dem schon ein, zwei Menschen sitzen. Zusammen mit mir kommt ein weiterer Gast rein, der später an dem Managementseminar teilnimmt. Während wir essen, sprechen wir ein bißchen darüber. Er kommt aus der Agrarbranche und nebenan sitzt ein weiterer Gast, der von Porsche kommt. All dies spielt sich vor einer netten Aussicht zum Hof ab, so daß man gern dort sitzen bleiben könnte.

Dennoch kehre ich noch mal zurück ins Zimmer und packe meine Siebensachen, um daraufhin zum Seminarraum zu gehen. Natürlich nehme ich mein Merch-Täschchen mit sowie Stift, Zettel und iPad, das ich dann doch nicht benutze. Draußen fällt mir, jetzt bei Tageslicht, auf, daß die Uni ein großes Bienenhaus aufgestellt hat. Gute Sache. Dann aber rein, Tagungsraum suchen, finden, Namensschildchen und Zeug ablegen, begrüßt werden, Leute erkennen, Kaffee schnappen.

Die anderen Teilnehmer stammen teils aus Deutschland, überwiegend jedoch aus der Schweiz. Dankenswerterweise sprechen Sie, u.a. mir zuliebe, Schriftdeutsch, wie es der Kursleiter nennt. Wart Ihr mal in der Schweiz? Ja, da spricht man Deutsch. Aber für mich Norddeutschen ist es doch schwer, bei diesem Einschlag ernsthaft einer Konversation zu folgen, und ginge sie nur über Hühnersuppe.

Der erste Beitrag geht um Marketing und Greenwashing und was das Bewerben der eigenen Grünlichkeiten für ein semantisches Minenfeld geworden ist. Denn während wahrscheinlich die wenigsten Unternehmen absichtlich ihre Abnehmer belügen wollen, ist es nicht jedem gegeben, die möglichen Folgen der eigenen Kampagne abzusehen. Es ist mittlerweile soweit gekommen, daß Unternehmen lieber gar nichts mehr über Ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen mehr sagen, als sich dem Vorwurf des Greenwashings auszusetzen. Greenhushing nennt man das.

Dann Mittagspause mit Essen. Alles sehr fein und das Buffet ist lecker und größtenteils fleischlos. In der Pause gehe ich auf die Aussichtsterrasse und laufe ein bißchen durch die Gegend. Das Gebäude bietet auch ein paar Gesichter, die ich sofort meiner Sammlung einverleibe.

Nach der Pause folgt eine Vertreterin eines großen Schweizerischen Pensionsfonds. Die haben zwar sehr viel Geld in Verwaltung, dürfen es aber nicht einfach nach Gutdünken irgendwohin investieren, da sie treuhänderische Pflichten erfüllen müssen. Doch etwas Spielraum gibt es schon und den möchten sie auch nutzen, nachaltige Anlagen in ihr Portfolio aufzunehmen. Gleichzeitig haben große Investoren wie sie natürlich auch einen gewissen Einfluß auf die Entwicklung ihrer Geldnehmer, was nicht außer Acht zu lassen ist. Daher wird auch nicht jede missliebige Anlage rausgeschmissen, sondern man versucht sich auch darin, sie zum Besseren zu bewegen. Es gibt halt nicht immer nur den einen Weg.

Als letzter Beitrag des Tages kommen eine Vertreterin und ein Vertreter der Swiss Fluglinie, die uns einen tiefen Einblick in deren Sustainabilityprogramm geben. Das ist schon beeindruckend. Natürlich wird da nach wie vor viel ausgestoßen, doch auch die Swiss bemüht sich kräftig, die Emissionen runterzubekommen, durch sustainable aviation fuels (SAF) und modernere, sparsamere Flugzeuge und noch dies und dann noch das. Und da man sich nach wie vor in Konkurrenz mit allen anderen Fluglinien befindet und ein Geschäft betreibt, befinden sie sich auch in entsprechenden Zwängen, die sie behindern. Sehr guter Vortrag und tolle Vorträger.

Dann ist endlich Zeit für Gruppenarbeit. Wir werden in drei Gruppen geteilt und bekommen jeder ein Thema, das wir bis Freitag vorbereiten müssen und es dann vortragen. EiEiEi.

Tja, und dann ist der Tag auch schon rum. Ich gehe noch mit einer Gruppenkollegin zurück ins Haupthaus zum Essen und dann machen wir uns an unsere Rechner. Sie zum Reste wegarbeiten, ich zum Mails wegmachen und dies hier schreiben. Und dann reicht es auch für diesen zweiten langen Tag in Folge, also jetzt schnell ab in die Koje.

Nach St. Gallen

Sonntag ist normalerweise ein entspannter Tag für alle. Ausschlafen, Kaffee, Frühstück oder andersrum, rumhängen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Tja, Pustekuchen.

Ich darf auf ein Seminar in die Schweiz. Yeah! St. Gallen! Rock! ESG for Support Positions. That’s me, my dear! So, aber wo war das gleich? Süden, ok, verstandne. Wie komm ich da hin? Was, Bahnstreik…? WIE komme ich da hin? Fliegen??? Na super, bester Einstieg ever…

Ok, also ich fliege zu einem Nachhaltigkeitsseminar. Fühlt sich erst einmal unpassend an und ich muß es mir erst einmal schönreden. Sage mir, wenn ich die dort gewonnenen Erkenntnisse umsetzen kann, beabsichtige ich einen deutlich größeren positiven Impact zu erzeugen als ich jetzt verursache. Dann geht’s erstmal wieder.

Und dann geht es los. Nachdem ich um 12.30 das Haus verlassen und mit Freunden auf Twitch einen 3-stündigen Spaß-Stream mitgemacht habe (Tresenlesen-Revival mit Poki, Anne und Gunnar mit Vorlesen und Musik), renne ich leicht hektisch fleckig zur U-Bahn, kriege auch die richtige, bekomme den einzigen Bus, der rechtzeitig zum Flughafen fährt, lasse mich dort dann vom Sicherheitspersonal ordentlich filzen und entspanne mich dann endlich am Gate mit einem lauwarmen Cappuccino in meinem Freshfields-Merch-Kaffeebecher.

Dann einsteigen, Stunde fliegen, dabei meine Nachbarin Daniela treffen, die gerade bei der Swiss anfängt. Leider sitzen wir nicht nebeneinander aber ich warte nach der Landung auf sie und wir schwatzen noch fix was weg und sie sagt mir noch den Weg zum Bahnhof.

Und es ist nachgerade unfassbar einfach, alles zu finden und zu machen. Ich laufe den Schildern nach, finde dort sofort einen Automaten, der mir problemlos eine Karte nach St. Gallen verkauft und dann finde ich sogar auf Anhieb das richtige Gleis. Total super alles so! Und es gibt Gepäcktrollis, die man auf die Rolltreppe rollen kann, die dann mitfahren. Sehr lässig.

Dann sitze ich im Zug und bewundere die Schaffnerin, die gefühlt 10 Minuten mit Engelsgeduld auf einen Schwarzfahrer einspricht, der ihr nachher sogar noch einen schönen Abend wünscht. Bei mir ist nichts zu beanstanden, da der Automat alles richtig gemacht hat. Bei der Gelegenheit spreche ich ihr meine Hochachtung aus.

Angekommen in St. Gallen suche ich nach einem Stadtplan an den Bushaltestellen. Finde ich zwar nicht, aber ein stark eingeschränkter Rollstuhlfahrer und ein Busfahrer weisen mir den Weg zum richtigen Bus (ich habe nämlich eine Mobility Card) und der Busfahrer fährt mich sogar bis vor die Haustür, da ich zu dem Zeitpunkt der letzte Passagier bin. Geht es besser?

Dann stehe ich vor dem Alumnihaus und klingele. Falsches Haus, soll noch mal 100 Meter auf den Campus. Mach ich. Werde freundlich um kurz vor 0.00 Uhr begrüßt. Ein freundlicher Student händigt mir meine Türkarte fürs Alumnihaus, Zimmer 213 aus. Türkarten kann ich. Also tapere ich zurück und gehe zuerst in die nette Bar/Cafeteria/Frühstücksdings und kucke mich um. Nehme mir gleich auch ein Schützengarten Edelspez mit nach oben, wo ich mich dann gleich häuslich niederlasse, natürlich nicht, ohne vorher eine wildfremde freundliche, vor der Tür rumstehende Frau zu grüßen und uns gegenseitig einen angenehmen Aufenthalt zu wünschen.

Das Zimmer ist warm und hat alles, was es braucht. Bett mit drei Sorten Kissen für jeden Schläfertyp, Bad mit Dusche, Schreibtisch, Schränke. Als erstes wird natürlich das WLAN eingerichtet (if trees gave off WiFi, we’d plant them like crazy. Too bad they only produce the oxygen we breathe) und nach Hause gemeldet, was ich lustiges gesehen habe. Dann die ersten Zeilen verfassen und versuchen das Handy zu verkoppeln, was vorerst kläglich versagt. Hoffentlich klappt das später mit der Kamera-SD-Karte…

Na gut. Dann mal genug für heute. Ich muß ins Bett. Morgen mehr 🙂

Liebe Grüße
Riklef

Nach Mexiko zur Sonnenfinsternis

Ich habe an der Uni mal Lateinamerikastudien studiert. Als Nebenfach. Das gibt es wirklich, es hat mir Spaß gemacht und es war damals auch wirklich interessant. Heute ist es das sicher auch noch, aber da bin ich ja nu lang raus. Und dann habe ich 1999 in Süddeutschland die Sonnenfinsternis erlebt. Das war ein besonderes Erlebnis für mich, welches mich nachhaltig beeindruckt hat. Nun werde ich diese beiden Dinge endlich zusammenbringen.

1999 war ich mit Freunden nach Süden gefahren, um die Sonnenfinsternis zu anzusehen. Als wir in Saarbrücken ankamen, regnete es jedoch in Strömen und man konnte am Himmel nur die Regenwolken sehen. Dennoch war es bis zur Verdunkelung so taghell, wie es eben mit Wolken noch werden kann. Alles war normal zu sehen und nichts deutete auf das bevorstehende Ereignis hin.

Doch dann verdunkelte sich die Szenerie abrupt. Binnen Sekunden war alles nachtschwarz, die Straßenlaternen gingen an, Leuchtreklamen strahlten auf, die Autos machten ihre Scheinwerfer an und – und das war für mich das Besonderste – die Vögel begannen zu singen.

Ich fand dieses Ereignis in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert:

  1. Bis kurz vor Beginn, ließ sich nichts bemerken, die Menge an Sonnenlicht, selbst des schmalsten Streifens Sonne, reichte völlig, um alles zu beleuchten.
  2. Trotz der Ankündigung und des vollen Bewußtseins über die Sache, waren alle, ich genauso, überrascht und überwältigt.
  3. Sowohl die künstliche als auch die natürliche Umwelt reagierte gleich auf die Dunkelheit.

Es stellte sich auch das Gefühl ein, daß die Nachtschwärze einfach bleiben könnte. Wie man als Mensch halt so empfinden kann. Der Moment ist die Ewigkeit. Kein Wunder, daß in früheren Zeiten die Angst vor diesen Ausnahmezuständen groß war.

All dies beeindruckte mich, wie gesagt, recht ordentlich und als ich später Kinder in die Welt setzte, formte sich in mir der Gedanke, ihnen dieses Erlebnis auch zu ermöglichen.

Nun ist es nicht einfach, mal eben eine Sonnenfinsternis zu erleben, denn sie finden a) nicht andauernd und b) nicht einfach überall statt. Nun ja, eigentlich ist doch genau dies das Problem. Sie finden irgendwo statt, mittlerweile zwar vorhersagbar, jedoch an sehr unterschiedlichen, meist weit entfernten Orten: in der Antarktis, über Sibirien, einmal quer über den Pazifik…

Die nächste totale Sonnenfinsternis, bei der sich die Welt um einen herum verfinstert (denn es gibt unterschiedliche Formen), findet 2024 in Nordamerika statt. Sie beginnt vor der Küste von Mexiko und läuft dann quer über den Kontinent, bis hoch nach Kanada und dann fix noch mal auf den Atlantik raus. Zu dieser werden wir fahren, nach Mexiko, Lucy und ich. Und ich bin furchtbar aufgeregt.

Ich erwähnte zu Beginn, daß ich früher Lateinamerika-Studien studiert hätte. Während all meiner 1.000 Jahre Studiums, hatte ich es jedoch nie hinbekommen, auch nur einmal den Fuß in die Neue Welt zu setzen. Das habe ich oft bedauert, doch das wird sich nun ändern.

Ende 2022 habe ich herausgesucht, wo und wann dieses Ereignis stattfinden würde und habe begonnen, darauf hinzusparen. Ich dachte mir, wenn man sich schon auf einen derart weiten Weg macht, sollte man sich die Zeit nehmen, dort auch etwas anzusehen. Also fliegen wir Mitte März nach Cancún in Yucatán und fahren dann nach und nach mit dem Bus durchs ganze Land bis nach Mazatlán an der Pazifikküste, wo wir dann die Sonnenfinsternis erleben wollen.

Wir wollen dabei viele Orte besuchen: Chichén Itzá, Uxmal, Mérida, Palenque, Oaxaca, den Popocatépetl, Mexico City, Teotihuacán, … jeder Ort ein Universum für sich. Und wir haben nur vier Wochen…

Dies soll der Beginn meines Reiseblogs werden, der weit vor dem Abflug ansetzt. Mal sehen, ob ich dadurch ruhiger oder noch aufgeregter werde.